Sparen in die nächste Rezession

Heute will die britische Regierung ihr Mega-Kürzungsprogramm vorstellen

  • Tomasz Konicz
  • Lesedauer: 3 Min.
In der EU haben Sparpakete derzeit Hochkonjunktur. Heute ist Großbritannien an der Reihe.

Am 20. Oktober will die konservativ-liberale Regierungskoalition in London das größte Sparpaket der britischen Nachkriegsgeschichte in allen Details enthüllen. Dieses historische Ereignis hat bereits seine Schatten vorausgeworfen. So sank das Verbrauchervertrauen im Monat September auf den niedrigsten Wert seit März 2009, als sich Großbritannien mitten in einer schweren Rezession befand. Der Fall des Konsumklima-Indexes um neun Punkte auf 53 Zähler könne durch die breite »Einsicht in die wahren Auswirkungen der angekündigten Einschnitte« in der Bevölkerung ausgelöst worden sein, kommentierte der Chefökonom der Bausparkasse Nationwide, Martin Gahbauer.

Die Dimensionen des anvisierten Austeritätsprogramms sind in der Tat gewaltig: Schatzkanzler George Osborne wird heute der britischen Öffentlichkeit erklären, wie binnen vier Jahren rund 83 Milliarden Pfund (94 Milliarden Euro) eingespart werden sollen, um das Haushaltsdefizit von mehr als zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) radikal zu senken. Um bis zu 25 Prozent sollen die staatlichen Ausgaben innerhalb von vier Jahren sinken. Bis zu den nächsten Wahlen in fünf Jahren will Osborne einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen.

Von Sozialkürzungen bis

zu Steuererhöhungen

Im Rahmen dieser Rosskur soll der Bevölkerung eine Mixtur aus Sozialkürzungen, Steuererhöhungen und Einsparungen im öffentlichen Dienst verabreicht werden. Durchgesickert sind beispielsweise Planungen zur Kürzung des Kindergeldes bei Sozialhilfeempfängern und Besserverdienern sowie zum Einfrieren der Bezüge der öffentlich Bediensteten. Im Gespräch ist auch eine massive Erhöhung der Mehrwertsteuer. Der Finanzsektor soll mit einer Steuer auf Gewinne aus Finanzgeschäften zur Kasse gebeten werden. Privatisierungserlöse will die Regierung durch Veräußerung der Flugsicherung erzielen. Im Rahmen von Sofortmaßnahmen sind bereits seit dem Sommer viele Sozialprogramme – etwa bei der Förderung arbeitsloser Jugendlicher – zusammengestrichen worden.

Dabei könnte dieser geplante Kahlschlag die britische Ökonomie erneut in die Rezession zurückwerfen, da die Sparmaßnahmen mit einem Einbruch der Binnennachfrage einhergehen werden. Die britische Wirtschaft verliert bereits merklich an Fahrt. So verzeichnete Großbritannien im dritten Quartal dieses Jahres ein Wirtschaftswachstum von lediglich 0,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal, während es im Vierteljahr davor noch 1,2 Prozent waren. Von einem nachhaltigen Abbau der in der Krise gewachsenen Arbeitslosigkeit kann in Großbritannien ebenfalls keine Rede sein.

Dabei rechnet die Regierung um den Tory-Premierminister David Cameron mit einer weiteren konjunkturellen Belebung im kommenden Jahr. Ihrer Prognose zufolge wird Großbritanniens BIP in diesem Jahr um 1,2 Prozent und 2011 sogar um 2,6 Prozent wachsen.

Kürzungspläne bringen Sparziele in Gefahr

Experten wie der Chefökonom der britischen Handelskammer, David Kern, bezeichnen die Sparpläne der Regierung allerdings als eine Gefahr für die weitere konjunkturelle Entwicklung. Sollte der Wegfall der staatlichen Nachfrage im Gefolge des Austeritätsprogramms in eine Rezession münden, wären auch die Sparziele der Regierung in Gefahr, da weiter einbrechende Steuereinnahmen und steigende Sozialausgaben die ursprünglichen Planungen durchkreuzen würden.

Die Haushaltskonsolidierung wird aller Wahrscheinlichkeit nach ohnehin am maroden Finanzsektor scheitern, der über Jahrzehnte maßgeblich die britische Defizitkonjunktur durch allzu lockere Kredit- und Hypothekenvergabe antrieb. Bislang musste London umgerechnet 1,4 Billionen Euro – das entspricht 85 Prozent des jährlichen BIP – für die Stabilisierung des Finanzsystems bereit halten. Eine unlängst veröffentlichte Studie der konservativen Denkfabrik »New Economics Foundation« kam zu der Schlussfolgerung, dass aufgrund auslaufender Staatshilfen der monatliche Refinanzierungsbedarf der britischen Banken in den kommenden beiden Jahren von derzeit 14 Milliarden Euro im Monat auf fast 30 Milliarden steigen würde: »Das macht eine erneute Bankenhilfe sehr wahrscheinlich«, erwartet die Stiftung. Schließlich droht dem spekulativ aufgeblähten britischen Immobilienmarkt ein ähnlicher Einbruch wie in den USA und Spanien. Im September fielen die Häuserpreise um 3,6 Prozent, ein Negativrekord mit Folgen für die Finanzindustrie.

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