Mappus entdeckt die Bürger

CDU-Ministerpräsident gibt den Landesvater / Polizeieinsatz in der Kritik / SPD beschließt Untersuchungsausschuss

  • Barbara Martin, Stuttgart
  • Lesedauer: 3 Min.
Ministerpräsident Mappus zeigt sich froh über die beginnenden Schlichtungsgespräche zu Stuttgart 21. Die Opposition im Landtag beschloss unterdessen, einen Untersuchungsausschuss zum Polizeieinsatz vom 30. September zu beantragen.

Mit ihm kann man reden, und Fehler darf man in der Politik auch mal zugeben. Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) ist seit einigen Tagen kaum wieder zu erkennen. Noch vor kurzem bezeichnete er Stuttgart-21-Gegner als »Berufsdemonstranten«, nun verkündet er mit sanfter Stimme, er wolle in Zukunft die Bürger vor und während eines Bauprojektes kontinuierlich informieren.

Auf einer Pressekonferenz betonten Mappus und Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU), wie froh sie seien, dass es am Freitag zum ersten fachbezogenen Schlichtungsgespräch komme. »Eine Regierung ist nicht von jedem, aber für jeden gewählt«, so Mappus und fügte an: »Politik wäre schlecht beraten, wenn sie zigtausend Demonstranten übersieht.« An seinem entschiedenen Ja zum Milliardenprojekt Stuttgart 21 habe sich nichts geändert: Er wolle mit guten Argumenten überzeugen. »Das setzt aber voraus, dass man miteinander redet.«

Für die künftige Handhabung von Großprojekten will Mappus von dem Verfahren um die zweite Startbahn West in Frankfurt am Main lernen. Dort habe man die Bürger vor und während des Projektes ständig einbezogen und informiert. Von einem Volksentscheid für Stuttgart 21 hält er aber weiterhin nichts. Nach einer Entscheidung helfe der nicht mehr, sagte er, fügte aber hinzu: »An ein oder anderer Stelle kann man mit mir darüber reden.« Vielleicht ein Hinweis, dass er sich diese Lösung des Konflikts um Stuttgart 21 nicht ganz verbauen will. Schließlich wird auch am Ende der Schlichtungsgespräche kein eindeutiges Richtig oder Falsch stehen.

Zum Thema Polizeieinsatz am 30. September im Stuttgarter Schlossgarten betonte Mappus erneut, er habe keinen Einfluss auf den Einsatz genommen. Im »Hamburger Abendblatt« hatte der Mannheimer Polizeikommissar Thomas Mohr kritisiert, die zumeist jungen Beamten der Beweis- und Festnahmeeinheiten, die beim an diesem Tag dabei waren, führten sich auf wie »scharfe Kampfhunde«. Wenn man diese »von der Leine und räumen lässt, dann beißen sie ohne Erbarmen zu«. Der Beamte, der beim »schwarzen Donnerstag« in Stuttgart im Einsatz war, ist überzeugt, dass es für ein Einsatz ein Okay von oben gegeben habe: »Mindestens vom Innenministerium.«

Ein weiterer Beamter sagte, er wisse, dass die Polizei »bei brisanten Großdemos verdeckt agierende Beamte« einschleuse. »Sie werfen auf Befehl Steine oder Flaschen in Richtung der Polizei, damit die dann mit der Räumung beginnen kann.« Ob das auch in Stuttgart der Fall war, ist unklar. Demoteilnehmer hatten vor einer Woche Filmaufnahmen eines Mannes gezeigt, der mit Pfefferspray einen Polizisten ansprüht und dann in der Menge verschwindet. Kleidung und Handhabung des Sprays deuteten nach Ansicht der Demoteilnehmer auf einen »Agent Provocateur« hin.

Das Landesinnenministerium ließ ausrichten, die Äußerungen seien die Meinung eines einzelnen Polizisten. Aufklärung könnte die Staatsanwaltschaft bringen, bei der eine Flut von Anzeigen gegen Polizisten und Polizeiführer eingegangen ist – oder ein Untersuchungsausschuss. Nach den Grünen entschied sich auch die SPD-Fraktion am Dienstag dafür. Sie folgte damit einem Beschluss des Landesparteitages vom vergangenen Samstag.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -