Heckenschütze jagt Zuwanderer
Im schwedischen Malmö geht die Angst um
In der weltoffenen Einwandererstadt Malmö mit dem an Berlin-Kreuzberg erinnernden pulsierenden Innenstadtteil Möllevaangen ist inzwischen die Angst unter den dunkler aussehenden Einwohnern deutlich spürbar. Viele trauten ihren Ohren nicht, als die Polizei am späten Mittwochabend erstmals bekannt gab, dass ein bislang unerkannter, vermutlich rechtsextremer Heckenschütze schon seit Monaten Mordanschläge mit einer Schusswaffe auf beliebige Einwanderer in Malmö verübt. Vor allem an Bushaltestellen lauerte ihnen der Täter zumeist im Schutz der abendlichen Dunkelheit auf. Einziges Kriterium: Die Opfer müssen südländisch aussehen. Die Polizei bat solche Mitbürger um erhöhte Vorsicht
Etwa 15 Anschläge waren es bisher, zumeist aus dem Hinterhalt. Oft trafen die Kugeln die Opfer in den Rücken. Bislang ist eines von ihnen – eine 20-jährige Schwedin in Begleitung eines ausländisch aussehenden Mannes – durch einen Kopfschuss ums Leben gekommen. Die anderen überlebten die Anschläge. Am Donnerstag meldete die Regionalzeitung »Sydsvenskan«, dass sogar am helllichten Tag unmittelbar neben einem Kindergarten auf einen 16-Jährigen geschossen wurde.
Die Polizei sperrte das Gebiet großräumig ab und sucht mit Spürhunden. Mit einem Großeinsatz will man den Täter nun so schnell wie möglich fassen. Bei dem letzten Anschlag in der Nacht zum Freitag habe man zum ersten Mal verwertbare Zeugenaussagen zum Aussehen des Schützen bekommen.
Dass es sich um einen Einzeltäter handelt, vermutet die Polizei, weil es sich in allen Fällen um die selbe Waffe handelte und sich die Tatumstände ähneln. Keines der Opfer hatte zuvor Kontakt zu kriminellen Kreisen. Sie haben auch ansonsten nichts miteinander gemeinsam. Mit einer Ausnahme: Sie sehen etwas dunkler als hellhäutige »Standardschweden« aus.
Die Großfahndung konzentriert sich regionalen Medien zufolge auf rechtsextreme Kreise. Deren Hochburg liegt vor allem in Südschweden, wo auch die ausländerfeindlichen »Schweden-Demokraten« bei den jüngsten Parlamentswahlen zweistellige Ergebnisse erzielten konnten.
Der rassistische Heckenschütze von Malmö lässt viele Schweden auf die ungeliebten 1990er Jahre zurückblicken. Damals trieb der später gefasste »Laser-Mann« sein Unwesen in Stockholm. Er hatte ein Gewehr mit Laserstrahl-Zielsuche. 1991 und 1992 schoss er auf elf Menschen, denen nur ihr etwas dunkleres Äußeres gemein war. Eines der Opfer starb, die anderen trugen teils schwere Verletzungen davon.
Damals herrschte eine unsägliche Stimmung im Lande. Erstmals gab es Massenarbeitslosigkeit, eine ausländerfeindliche Partei war – wie jetzt – in den Reichstag eingezogen. Diese ging aber kurz darauf wieder ein. Genauso wie die inzwischen abgeschwächte schwedische Neonaziszene, die damals zu den militantesten Europas zählten. Die Extremisten verübten in jenen Jahren Morde an Gewerkschafter, Polizisten und Journalisten.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.