Ein Chemiker macht blau

Vor 175 Jahren wurde Nobelpreisträger Adolf von Baeyer geboren

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 3 Min.
A. v. Baeyer
A. v. Baeyer

Die Farbe aller »echten« Jeans ist blau. Genauer gesagt: indigoblau. Ursprünglich wurde dieser bereits im Altertum bekannte Farbstoff in Europa aus dem hier wachsenden Färberwaid (Isatis tinctoria L.) gewonnen. Erst im 16. Jahrhundert trat an dessen Stelle die indische Indigopflanze (Indigofera tinctoria), die einen reineren Blauton und 30mal mehr Farbstoff lieferte als die Waidpflanze.

Dennoch war die Nachfrage nach Indigo in Europa häufig größer als das Angebot. Forscher suchten daher nach Möglichkeiten, den tiefblauen Farbstoff synthetisch herzustellen. Der Erste, der damit Erfolg hatte, war der deutsche Chemiker Adolf von Baeyer. Anfang der 1880er Jahre gelang es ihm, ausgehend von Nitrozimtsäure und Nitrobenzaldehyd die organische Verbindung Isatin und daraus wiederum Indigo herzustellen. Um alsbald mit der großtechnischen Produktion des Farbstoffs beginnen zu können, erwarben die Badische Anilin- & Soda-Fabrik (BASF) und die Hoechster Farbwerke 1880 die Rechte an der Verwertung des Baeyerschen Indigo-Patents. Jedoch war man anfangs nicht in der Lage, die für die Synthese benötigten Ausgangsstoffe in großen Mengen kostengünstig zu produzieren. Erst nachdem der Zürcher Chemiker Karl Heumann ein neues Syntheseverfahren entwickelt hatte, kam 1897 »Indigo rein BASF« auf den Markt, das mit 16 Mark pro Kilogramm um ca. vier Mark billiger war als natürliches Indigo. Bereits auf der Pariser Weltausstellung im Jahr 1900 präsentierte sich die BASF als größte chemische Fabrik der Welt, die mit Indigo Millionengewinne machte. Aber auch Baeyer ging nicht leer aus. Die BASF hatte ihm für sein Patent 100 000 Mark gezahlt, und in Stockholm erhielt er für seine »Arbeiten über organische Farbstoffe« 1905 den Chemienobelpreis.

Als Sohn eines preußischen Offiziers wurde Baeyer am 31. Oktober 1835 in Berlin geboren. Er studierte an der dortigen Universität zunächst Mathematik und Physik, bevor er 1855 nach Heidelberg ging, um sich im Labor von Robert Wilhelm Bunsen zum praktischen Chemiker ausbilden zu lassen. 1858 erwarb Baeyer mit einer Dissertation über organische Arsenverbindungen, die nur mit »cum laude« benotet wurde, den Doktortitel. 1860 habilitierte er sich und lehrte anschließend Organische Chemie am Gewerbeinstitut in Berlin. Nach einer kurzen Tätigkeit an der Universität Straßburg übernahm er 1875 den Lehrstuhl des verstorbenen Justus von Liebig an der Münchner Universität. In den 40 Jahren, in denen Baeyer diesen »Chemie-Thron« innehatte, erhielt er die Davy-Medaille der Royal Society und wurde in den erblichen Adelsstand erhoben. Er starb am 20. August 1917 in Starnberg.

Von den zahlreichen Entdeckungen Baeyers sei hier nur eine noch erwähnt: 1864 synthetisierte er die sogenannte Barbitursäure, die selbst zwar keine physiologische Wirkung zeigt, deren Derivate (abgeleitete Stoffe ähnlicher Struktur) aber die Grundlage bildeten für die Herstellung von Schlafmitteln. Als erstes Barbiturat gelangte 1903 »Veronal« in die Apotheken. Doch kommen wir noch einmal zurück auf Indigo. Dieser von Baeyer gründlich erforschte Farbstoff hat seine Spuren nicht nur in der Chemie, sondern auch im alltäglichen Sprachgebrauch hinterlassen. Denn die Färbung damit gelang früher nur, wenn man die betreffenden Textilien an eine Leine hing und sie dort lange mit Luftsauerstoff reagieren ließ. Während dieser Zeit hatten die Färber häufig nichts zu tun und ruhten sich aus. Anders gesagt: Sie »machten blau«.

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