Minister Niebel unter Rechtfertigungsdruck
Deutsches Projekt in Kolumbiens Konfliktregion
Wegen der geplanten Beteiligung deutscher Entwicklungsexperten an einem Aufstandsbekämpfungsprogramm der kolumbianischen Regierung ist Entwicklungsminister Dirk Niebel unter Rechtfertigungsdruck geraten.
»Kolumbien ist eine der stabilsten Demokratien in Lateinamerika und bedarf der Unterstützung der freien Welt«, sagte Entwicklungsminister Dirk Niebel am Dienstag in Peru, der nach Bolivien zweiten Station seiner Reise. Am heutigen Donnerstag trifft er in Bogotá ein. »Wir machen ein Projekt zur Umweltkartierung als Vorstufe für die Vergabe von Landtiteln, und deswegen hat das mit Aufstandsbekämpfung überhaupt nichts zu tun«, sagte Niebel. Zugleich würdigte er die Politik des kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos: »In einer Gewaltregion ist an Ackerbau und Viehzucht nicht zu denken, deshalb ist es auch gut, wenn die Bekämpfung der Terroristen von der Regierung durchgeführt wird.« Einen Abstecher in die Kriegsregion Macarena südöstlich der Hauptstadt Bogotá hat Niebel nicht vor.
Die Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel (LINKE) warnte vor dem Macarena-Projekt, für das in den nächsten zwei Jahren 500 000 Euro vorgesehen sind. »Ich halte das für eine skandalöse Entscheidung«, sagte Hänsel. »So gefährdet man die Entwicklungshelfer und die Kleinbauern, die vom Programm profitieren sollen.« Das Militär habe im Konflikt mit der FARC-Guerilla zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen, darunter Vertreibungen und extralegale Hinrichtungen. Durch die Beteiligung am sogenannten Konsolidierungsplan der Regierung lasse sich Deutschland in den Konflikt zwischen Guerilla, rechtsextremen Paramilitärs und Armee hineinziehen.
In einem Gutachten der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, das ND vorliegt, werden die prekäre Sicherheitslage, die hohe Mordrate, anhaltende Gefechte, der Kokaanbau und das tiefe Misstrauen der Bevölkerung geschildert. Aus Sicherheitsgründen soll das Projekt von einem Kolumbianer koordiniert werden.
Am Dienstag (Ortszeit) hatte Niebel in der peruanischen Hauptstadt Lima ein Ausbildungszentrum für Umwelttechniker auf den Weg gebracht. Das von Brasilien, Deutschland und Peru finanzierte Projekt mit Gesamtkosten von fünf Millionen Dollar ist auf drei Jahre angelegt.
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