Ossis auf dem Rückzug

DIW-Studie: In den neuen Ländern geht der Anteil ostdeutscher Führungskräfte weiter zurück

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach wie vor sind Ostdeutsche in den Führungsetagen von Unternehmen und Hochschulen deutlich unterrepräsentiert. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung belegt zudem, dass der Anteil ostdeutscher Spitzenkräfte in den neuen Ländern seit Jahren rückläufig ist.

Wenn das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) aktuelle Zahlen des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) veröffentlicht, dann lohnt ein genauerer Blick auf das Material. Denn die Langzeitbefragung von jährlich mehr als 20 000 Menschen gilt als wichtiger Gradmesser bundesdeutscher Verhältnisse. Weil immer die gleichen Personen befragt werden, »können langfristige soziale und gesellschaftliche Trends besonders gut verfolgt werden«, wie es beim DIW heißt. Seit der Wende beobachtet das Institut auch die Entwicklung im Osten der Republik.

Am Donnerstag konnte das Institut mit einer Erfolgsmeldung aufwarten: »Die meisten Führungspositionen in Ostdeutschland sind von Ostdeutschen besetzt«. Damit sei die Mär widerlegt, wonach die ostdeutschen Eliten in Politik und Wirtschaft »nahezu komplett durch Westdeutsche ausgetauscht wurden«. Man muss schon genauer hinschauen, um zu erkennen, wo das eigentliche Problem liegt. Eigentlich müsste die Schlagzeile »Ossis auf dem Rückzug« lauten. Denn laut DIW waren im Jahre 1999 noch 84 Prozent aller Führungskräfte in den neuen Ländern ostdeutscher Herkunft. Heute sind es nur noch 71 Prozent. Als Führungskräfte gelten Selbstständige und Freiberufler mit mindestens zehn Mitarbeitern und Beamte sowie Angestellte im höheren Dienst. Dieser Rückgang deckt sich auch mit den Zahlen für das gesamte Bundesgebiet. Während der Anteil der Ostdeutschen unter Führungskräften zu Beginn der 90er Jahre noch bei 13 Prozent lag, sank dieser Wert auf klägliche 9 Prozent. Dabei beträgt der Anteil Ostdeutschlands an der Gesamtbevölkerung etwa das Doppelte. Und so kommt auch das DIW nicht umhin, einzugestehen, dass die »anhaltende Unterrepräsentation Ostdeutscher«, darauf hin deute, dass

»es Ostdeutsche im vereinigten Deutschland schwerer haben, in Führungspositionen aufzusteigen«. Auch der Export von Spitzenpersonal in die alten Bundesländer kommt einfach nicht in Schwung. Gerade einmal zwei Prozent der dortigen Führungspositionen werden von Menschen aus den Neuen Ländern besetzt.

In einer Fußnote verweist das DIW zudem auf einen Beitrag des ARD-Magazins »Monitor« vom September dieses Jahres. Demnach sind von den bundesweit 88 Hochschulrektoren gerade einmal drei ostdeutscher Herkunft. Ganz zu schweigen von den lukrativen Vorstandsposten in großen DAX-Konzernen. Hier sucht man Ossis vergebens. Ebenso vergeblich ist die Ossi-Suche unter den 213 Generalen und Admiralen in der Bundeswehr. Doch halt! Immerhin eine Generalärztin wurde nach Angaben der ARD östlich der Elbe geboren.

Auch in Sachen Gehaltsentwicklung hinken die Ostdeutschen hinterher. Zwar seien die realen Einkommen in Ostdeutschland seit der Wende gestiegen, wie das DIW betont. Allerdings ohne »das höhere westliche Einkommen zu erreichen«. Zumal diese Steigerung vor allem die für die Spitzenverdiener gilt. Doch in Ostdeutschland gibt es weitaus weniger von diesen gut bezahlten Jobs als im Westen. Dafür hält der Arbeitsmarkt jede Menge Niedriglohnjobs vor. Und hier, so die Studie, haben die Einkommensunterschiede zwischen Ost und West jüngst sogar wieder zugenommen. Die ostdeutschen Niedriglöhner seien »überproportional« von Kaufkrafteinbußen betroffen, konstatiert das DIW.

Aber in einem Bereich gelang dem Osten das Kunststück, den Westen zu überholen, ohne ihn einzuholen. Laut DIW sank der Bevölkerungsanteil der Kinder unter 18 Jahren in den neuen Ländern stärker als Westen und liegt nun sogar darunter. Betrug der Kinderanteil 1990 noch 19,4 Prozent, sind es mittlerweile nur 13,1 Prozent. Der Westen schrumpfte langsamer: von 17,4 Prozent auf 16,8 Prozent. Kommentar Seite 8

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