Vor seinem morgen beginnenden USA-Besuch hat Ägyptens Präsident Hosni Mubarak einen Führungsanspruch Kairos im Umgang mit Israel, dem Nahost-Friedensprozess und dem »Krieg gegen den Terror« beansprucht.
In einem Exklusivinterview mit der »New York Times« umriss Mubarak gestern einen neuen Plan für Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern. Der Vorschlag ist eine Konkretisierung des saudischen Friedensplans, der den völligen Rückzug Israels aus den 1967 besetzten Gebieten sowie die vollständige Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den arabischen Staaten vorsieht. Im Gegensatz zu anderen Vorschlägen schwebt dem ägyptischen Präsidenten die baldige, symbolische Anerkennung eines Palästinenserstaates auf dem von der UNO bestimmten Territorium vor. Verhandlungen über israelisch-palästinensische Kernfragen wie Grenzverläufe, Status der Flüchtlinge, Jerusalem und israelische Siedlungen könnten, so Mubarak, »bei gutem Willen« nach der Anerkennung des Palästinenserstaates gelöst werden.
Um das Gewicht Ägyptens im Weißen Haus zu erhöhen und um im USA-Kongress Gehör zu finden, enthüllte Mubarak gegenüber der Zeitung, dass der ägyptische Geheimdienst vor dem 11. September mittels eines seiner Agenten in der Al-Qaida-Organisation Osama bin Ladens Informationen über einen großen Anschlag auf die USA erhalten habe. Die Informationen seien umgehend an »amerikanische Dienste« weitergeleitet worden. Gemeint ist die CIA-Außenstelle in der Kairoer USA-Botschaft. Mubaraks Angaben sind die erste Äußerung einer staatlichen Stelle seit dem 11. September, dass Al Qaida doch nicht so konspirativ operieren konnte wie bislang zugestanden.
Die ägyptischen Geheimdienste arbeiten wie Jordanien und Saudi-Arabien eng mit der CIA zusammen. So vermachte Ägypten unter Präsident Anwar El-Sadat den USA unter Jimmy Carter Waffen sowjetischer Bauart, die Washington an die afghanischen Fundamentalisten im Kampf gegen die Kabuler Regierung weiterleitete. Laut »New York Times« hat Kairo die meisten islamisch-fundamentalistischen Gruppierungen in der Region unterwandert. Ägypten erhielt von den USA seit dem Friedensabkommen von Camp David im Jahr 1978 rund 40 Milliarden Dollar für seine Armee. Im Durchschnitt überweisen die USA jährlich 1,3 Milliarden Militärhilfe und etwa 800 Millionen Dollar Wirtschaftshilfe auf ägyptische Staatskonten. 1990 erließ Washington Kairo im Rahmen des Irak-Kriegs Schulden in Höhe von 7,1 Milliarden Dollar. Jährlich fliegt das Pentagon Waffensysteme im Wert von Hunderten Millionen Dollar in den Pyramidenstaat. Dass der Großteil der Waffen für »innere Sicherheit« gebraucht wird, ist Teil der Logik. Menschenrechtsverletzungen sind dem USA-Außenministerium wohl bekannt und werden ausdrücklich als »Kampf gegen Terroristen« gut geheißen.
Ähnlich strukturiert, nur freilich in viel größerem Ausmaß, ist das Verhältnis der USA zu Ägyptens Nachbar Israel, dem wichtigsten USA-Verbündeten in der Region. Einem Kongressbericht vom November 2001 zufolge summierte sich die USA-Auslandshilfe an Israel seit den 50er Jahren auf 81,3 Milliarden Dollar, jährlich rund 3 Milliarden. Davon gehen 1,8 Milliarden aus Pentagonfonds an das israelische Militär. 1,2 Milliarden vergibt das USA-Außenministerium als Wirtschaftshilfe. Allein in den vergangenen 10 Jahren betrug die Militärhilfe 18,2 Milliarden Dollar. Damit gehen 17 Prozent der US-amerikanischen Auslandshilfe an Israel. Laut der in London erscheinenden Militärfachzeitschrift »Janes Defence Weekly« stammt der Großteil der Waffen, mit denen die israelische Besatzungsmacht gegen palästinensische Städte, Dörfer und Flüchtlingslager, aber auch gegen UNO-Einrichtungen vorgeht, aus USA-Quellen, etwa die berüchtigten »Apache«-Angriffshubschrauber oder Kampfflugzeuge der Typen F-15 und F-16.
Das israelische Waffenarsenal strotzt vor USA-Waffensystemen. Israel beherbergt mit 237 F-16-Bombern nicht nur die hinter den USA weltweit größte derartige Flotte. Neben Kampfhubschraubern tragen auch Raketensysteme USA-Firmennamen wie Boeing, Lockheed Martin und Raytheon. Gratis erhielt Israel nach dem »Excess Defense Articles Program« seit Mitte der 90er Jahre rund 65000 Gewehre vom Typ M-16, 2500 Granatwerfer sowie Maschinenpistolen und Munition.
Den USA mangelt es also keinesfalls an Möglichkeiten, ihren wild gewordenen Zöglingen die Flügel zu stutzen beziehungsweise damit zu drohen, um einen substanziellen Verhandlungs- und Friedensprozess anzumahnen. Allein - es fehlt der Wille. Denn der orientiert sich an der Interessenslage.
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