Stürmischer Nationalfeiertag
Konfrontation von Rechtsextremen und Antifaschisten in Warschau
Neben dem Großen Zapfenstreich vor dem Grabmal des Unbekannten Soldaten auf dem Warschauer Pilsudski-Platz, wo Staatspräsident Bronislaw Komorowski eine zur Stärkung patriotischen Stolzes konzipierte Ansprache hielt, gab es auf den Straßen der Hauptstadt – wie Seweryn Blumsztajn tags darauf in der »Gazeta Wyborcza« schrieb – eine echte öffentliche Debatte. Komorowski beschwor den Mythos der Eintracht in den Jahren 1918 und 1980/81 und streckte die Hand in Richtung der oppositionellen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) aus, die in jüngster Zeit immer heftiger gegen die derzeitigen Staatsstrukturen Polens zu Felde zieht. Derweil kam es ganz in der Nähe zu heftigen Tumulten.
Das Rathaus, in dem die Bürgerplattform (PO) regiert, hatte in den Vortagen 23 Organisatoren die Genehmigung für Demonstrationen erteilt. Die Vielzahl war allerdings eine Täuschung. Auf den Straßen begegneten sich Faschisten und Antifaschisten. Die eine Seite schrie nach einem »Großpolen«, von der anderen gab es Pfiffe und Rufe »No pasaran!« Der Phalanx des rechtsextremen ORN (National-Radikales Lager) und der »Allpolnischen Jugend« standen verschiedene Gruppen der »Neuen Linken«, Anarchisten, Umweltschützer und Homosexuelle entgegen. Mit den Faschisten marschierten durchaus bekannte Professoren, Publizisten des Senders »Radio Maryja« und Vertreter des Instituts für Nationales Gedenken (IPN), in den Reihen der Antifaschisten waren ebenfalls Intellektuelle und Journalisten zu sehen. Wie auf der Internetseite »Lewica« (Die Linke) am Freitag zu lesen war, stand die massiv aufgebotene Polizei nicht gerade auf der Seite der Verteidiger des Rechtsstaates. Unter den mehr als 40 festgenommenen Demonstranten waren die Antifaschisten in der Mehrzahl. Piotr Ikonowicz von der »Nowa Lewica« wurde durch Steinwürfe am Kopf verletzt.
Fast 70 Prozent der Teilnehmer einer am Freitagmorgen veröffentlichten Umfrage meinten, die Behörden hätten dem ORN – das bereits 1937 verboten wurde – keine Genehmigung zum Aufmarsch erteilen sollen. 21 Prozent (das wäre identisch mit der gegenwärtigen Wahlzustimmung für PiS) hielten dagegen, man dürfe die Demokratie nicht einschränken. Der schon erwähnte Seweryn Blumsztajn schrieb in seinem Kommentar: »Die in Europa aufkommende nationalistische Welle erreichte nun also auch Polen.« Tatsächlich gab es bisher keinen so massiven Aufmarsch der Faschisten. Eine Schande nannte dies Maciej Wieczerkiewicz in einem Fernsehduell mit dem »Allpolnischen« Artur Zawisza.
»Nasz Dziennik«, das Blatt des Paters Rydzyk, berichtete, der katholische Armeeseelsorger Prälat Oberst Slawomir Zarski habe während der Hochmesse in der Basilika des Heiligen Kreuzes geklagt, der Patriotismus sei jetzt durch den Kosmopolitismus ersetzt worden, die Wahrheit durch die Lüge und die Liebe durch den Hass. Er sprach wie PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski persönlich. Ohnehin fiel auf, dass die beim Staatszeremoniell auf dem Pilsudski-Platz anwesenden Kirchenfürsten – anders als bisher stets – nicht in der ersten Reihe neben dem Staatspräsidenten zu sehen waren.
In einem Gespräch mit »Polskie Radio« wies Grzegorz Napieralski, Chef des Bündnisses der Demokratischen Linken (SLD), darauf hin, dass es unrichtig sei, von einem »polnisch-polnischen Krieg« zu reden. Vielmehr habe man es mit einem Kampf zwischen zwei Rechtsparteien zu tun, in deren Schatten die extrem nationalistische Rechte aktiver werde.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.