Reise durchs südliche Afrika

José Eduardo Agualusa: Die Frauen meines Vaters

  • Manfred Loimeier
  • Lesedauer: 2 Min.

Der angolanische Schriftsteller José Eduardo Agualusa steht für die Globalisierung in der Literatur. Er selbst lebt gleichermaßen in Luanda, Lissabon und Rio de Janeiro, und seine Bücher spielen ebenso in Brasilien und Portugal wie in Goa oder Angola. Zugleich ist Agualusa ein Analytiker der Lusophonie, ein Autor also, der den gemeinsamen Kulturraum der portugiesischen Sprache ausschreitet. Dies gilt auch für sein Buch »Die Frauen meines Vaters«, welches all die Charakteristika von Agualusas Büchern aufweist: Reportage und Dokumentation, Reisebericht, Selbstreflexion und Fiktion.

Im Mittelpunkt der Handlung steht eine junge Frau, Laurentina, die spät in ihrem Leben erfährt, wer als ihr leiblicher Vater gilt: ein beliebter Jazz-Musiker aus Angola. Prompt macht sie sich auf den Weg und erfährt nur, dass dieser Musiker jüngst verstorben ist und in vielen Städten des südlichen Afrika zahlreiche Witwen hinterließ. So begibt sich Laurentina auf eine Spurensuche nach den Frauen ihres Vaters, die von Angola über Namibia und Südafrika nach Mosambik führt. Dort findet sie in der Tat ihren leiblichen Vater, welcher freilich ein anderer ist als der verstorbene Musiker.

Diese Handlung ist für Agualusa aber nur der Vorwand, um eine ganz andere Geschichte zu erzählen. Ihm geht es nämlich darum, das musikalische Erbe des südlichen Afrika zu erschließen und dabei den Anteil der Musiker aus Angola und Mosambik zu betonen. Auch im Buch »Die Frauen meines Vaters« liegt daher eine dokumentarische Ebene unter einer fiktiven, und das Ganze verwob Agualusa zu einer Art Reiseliteratur. Die Stärke dieses Buchs liegt beileibe nicht in einer fesselnden Kurzweiligkeit, sondern in poetisch servierten Verästelungen der südafrikanischen Kulturgeschichte. Agualusa serviert Einblicke in fremde Kulturen und ferne Menschenschicksale – und auch in seine eigene Identität als Produkt dieser portugiesischsprachigen Region im südlichen Afrika. Das wirkt manchmal programmatisch und lexikalisch, manchmal aber, in einigen sehr atmosphärischen Schilderungen von Stadtvierteln und Straßenzügen, zeichnet Agualusa prachtvolle Bilder eines schwierigen, aber sympathischen Alltags.

José Eduardo Agualusa: Die Frauen meines Vaters. Roman. Aus dem Portugiesischen von Michael Kegler. A1 Verlag. 381 S., geb., 22,80 €.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -