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»Don't worry, be happy«

Samson Kambalu zeigt uns in seinem Roman »Jive Talker«, was für ein toller Hecht er ist

  • Irmtraud Gutschke
  • Lesedauer: 4 Min.

Wer in einem Verlag für Pressearbeit zuständig ist, hat von Berufs wegen seine Produkte zu loben. Aber wie mir Frau Reiner vom Unionsverlag das Erlebnis dieses Buches schilderte, merkte ich, dass es für sie etwas Außerordentliches war. In einem Zug habe sie es gelesen, überaus vergnüglich sei es, obwohl man doch auf jeder Seite den ernsten Hintergrund ahnt. Und wirklich, Samson Kambalu hat einen Erzählton gefunden, der »ins Ohr geht«. Er hat sich vorgenommen, seine Leser zu beeindrucken, und das gelingt ihm auch. Man merkt, dass er daran selbst seine Freude hat. So wie er als Schulkind in Malawi Michael Jackson imitierte und den ganzen Saal zum Johlen brachte, so vollführt er auch beim Schreiben seine Kunststückchen. Ein Selbstdarsteller, intelligent und auf Erfolg bedacht.

Als wir ihn kennenlernen, sitzt er gerade mit heftigem Durchfall auf dem Klo – ein spindeldürrer afrikanischer Junge von gerade mal elf Jahren liest Nietzsche und beschließt, Philosoph zu werden. Auf dem Klo hatte der Vater nämlich eine ganze Bibliothek deponiert. Ein erstaunlicher Mann: Hatte alle Werke Nietzsches gelesen und noch viel mehr. Das Klo war mit Zetteln tapeziert, auf denen er Zitate und Lektürenotizen festgehalten hatte. Nachts, wenn er betrunken war, gab er in endlosen Tiraden seine Lebensweisheiten zum besten. »Jive« nannte der Vater sein großspuriges Gerede ebenso wie sein Lieblingsbier.

Der »Jive Talker« war der erste in seiner Sippe, der in einer Missionsschule lesen und schreiben lernte. Die Ausbildung endete abrupt, als ihn ein weißer Lehrer »Eingeborener« nannte. Er warf ene Hacke nach ihm, kam ins Gefängnis und stieß dort auf Samuel Smiles Buch »Selbsthilfe«. Fortan beschloss er, sein Leben der Selbstvervollkommnung zu widmen. Er absolvierte einen Fernkurs in Englisch und eine Ausbildung als Hilfsarzt. Als solcher wurde er in verschiedene Gegenden des Landes versetzt, seine Familie zog jedesmal mit. Nach seinem Tod, er starb 1995 an Aids, würde der Sohn in seiner Brieftasche zusammengefaltete Zettel mit Beschwörungsformeln finden, die meist mit dem Satz begannen »Ich bin Multimillionär«.

Verrückt. Aber es mag schon sein, dass man mit beiden Beinen auf der Erde in Malawi nicht weit kommt. Und so erleben wir mit, wie auch der Sohn – eines von acht Kindern – von klein auf versucht, in sich etwas ganz Besonderes zu sehen. Kurios: »Eingeborene« – das sind für ihn die anderen, auf die schaut er herab. Seine Hochnäsigkeit ist sogar begründet, ist er doch so belesen wie hierzulande kaum ein Kind. »Jive Talker« ist seine Lebensgeschichte, lustig erzählt, voller verrückter Andekdoten und deshalb wirklich gut zu lesen.

Doch eigentlich handelt das Buch, vom Kampf eines Heranwachsenden, sich aus der Armut herauszuheben in ein besseres Leben, das nur in der westlichen Welt zu finden ist. Wenn er uns auch meist lachend gegenübertritt, der Autor ist sich seiner Situation wohl bewusst. Es mag zynisch klingen: »›Die Wahrheit muss sich auf die Seite der Macht schlagen, sonst wird sie immer wieder zugrunde gehen‹ – Nietzsche. Zu anderen Zeiten war die Welt dazu verdammt gewesen, die Griechen, die Römer, die Briten zu imitieren, jetzt waren es eben die Amerikaner. Ich war das perfekte Produkt meiner Zeit.« Es ist nicht nur der Witz, es ist auch diese Doppelbödigkeit, die dem Text Kraft verleiht. Was seid ihr für Träumer, flüstert uns der Autor insgeheim zu, mit eurem Multi-Kulti-Gewese. Die Leute würden alles abwerfen, was sie von euch unterscheidet, wenn sie so viel hätten wie ihr.

Auf den Seiten 305/306 finden sich knapp aufgelistet Fakten über Afrika: »Jeder fünfte Afrikaner ist von Krieg betroffen. Die Lebenserwartung im Afrika südlich der Sahara beträgt 46 Jahre ... Etwa die Hälfte der afrikanischen Bevölkerung südlich der Sahara lebt von weniger als 1 $ pro Tag ... Im Afrika südlich der Sahara leiden 186 Millionen Menschen an Unterernährung ... Wenn die 225 reichsten Personen der Welt 4 % ihres Reichtums abgäben, ließe sich damit die Armut weltweit abschaffen.«

»How to get a British Passport« – so der Untertitel des englischen Originals. Samson Kambalu konnte nicht abwarten, dass es in seinem Land besser wird. Weil er nur ein Leben hat, musste er alles tun, um sich aus dem Elend herauszuwinden, und amüsiert uns damit, wie er dabei lacht. Er brauchte Nietzsches »Übermenschen« für sich, um nicht unterzugehen. Nachdem er sich als Religionsstifter gerierte, als Popsänger und Tänzer wie Michael Jackson, studierte er Kunst- und Musikethnologie, bestand mit Auszeichnung, begann Kunst zu unterrichten und erhielt ein Stipendium für einen viermonatigen Aufenthalt in Amsterdam. Er heiratete eine Schottin, lebt heute in London und hat nun auch als Schriftsteller debütiert.

Als Samson Kambalu 1975 als fünftes Kind seiner Mutter zur Welt kam – zwei Monate zu früh, denn der Vater hatte im Haus randaliert, wodurch ein Brand ausbrach – , erhielt er den Namen Kondwani, was aus dem Chichewa übersetzt so viel heiß wie »Don't worry, be happy«. Wir wollen es dem Autor glauben.

Samson Kambalu: Jive Talker. Roman. Aus dem Englischen von Marlies Ruß. Unionsverlag. 349 S., geb., 19,90 €.

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