Kicker, Kanzlerin und Kindergärtner für Windows
»Linke und Technik...!«-Autor Marcus Meier wundert sich über schamlose Reklame für den Microsoft-Konzern.
Man darf wohl von einem Idiotentest sprechen. Frage 38 lautet beispielsweise: »Sie erhalten eine E-Mail mit dem Absender v-i-r-u-s@xyz.ro. Wie gehen Sie mit dieser Mail um?« Antwortoption eins: »Klingt interessant. Unbedingt lesen.«
Insgesamt 42 Fragen zu Computer und Internet galt es zu beantworten. Befragt wurden Menschen wie Sie und ich. Und am Ende wurde auf dieser Basis die »it-fitteste Stadt Deutschlands« ausgerufen. Glaubt man den Urhebern des Tests, so sitzen die versiertesten Computer-Nutzer in einer Domstadt am Rhein. »Köln ist fitteste IT-Stadt«, titelte die nicht immer überkritische lokale Monopolzeitung denn auch brav. Und sie zeigte ein Foto, auf dem zwei hohe Herren in die Kamera lächelten: Jürgen Roters, Kölns Oberbürgermeister, SPD, und Ralph Haupter, Chef von Microsoft Deutschland.
Moment: Microsoft? Ja, denn die Software-Schmiede hatte den Test initiiert. Und so bezogen sich gleich 26 der 42 Fragen unmittelbar auf Produkte des eigenen Hauses: Warum sollte man den Computer nie ausschalten, ohne Windows ordnungsgemäß zu beenden? Können all diese Grafikdateien in Microsoft Word importiert werden? Mit welchem Symbol können Sie eine Grafik in ein Excel-Tabellenblatt einfügen?
Schleichwerbung für Microsoft-Produkte
»It-fit« ist also, wer sich halbwegs mit Microsoft-Produkten wie Windows, Word und Excel auskennt. Kurzum: Microsoft hypte seine eigenen Waren. Vergab ein dubioses Gütesiegel für eine Großstadt. Und deren oberster Repräsentant spielte gerne mit beim PR-Termin, der für die Medien inszeniert wurde. Preisgünstiger kann man Reklame kaum kriegen.Gewiss, Microsoft ist Weltmarktführer in einigen Bereichen. Das macht die Schleichwerbung aber nicht besser. Denn Microsoft-Produkte stehen zu recht in der Kritik. Manchem – so auch mir – gilt eine (Vor-)Installation von Windows auf der Festplatte als schlichte Sachbeschädigung. Dennoch: Auch die meisten Linken verzichten darauf, auf Windows zu verzichten. Dabei ist das wahrscheinlich jener Konsumverzicht, der die Lebensqualität am nachhaltigsten steigert.
Damit die Konkurrenz nicht zum Zuge kommt, unternimmt Microsoft indes eine Menge. Eingespannt werden dabei nicht nur kölsche Schultheiße, sondern auch Kanzlerinnen, Kicker und Kindergärtner. Die Strategien, um schon die kleinsten an Windows zu gewöhnen, sind mannigfaltig. Das belegt ein Blick auf die Webseite it-fitness.de .
Es gibt Alternativen: Apple OS und Linux
Doch natürlich gibt es Alternativen zu Windows, Word und Internet Explorer. Es muss ja nicht gleich der sauteure iMac nebst Betriebssystem Apple OS sein, also die Luxus-Variante des Windows-Verzichts. Man kann ja auch den bereits vorhandenen und demnächst zu kaufenden PC mit Linux bestücken. Vorteile: Linux ist in mehrfachem Sinne ein freies Betriebssystem: Es ist kostenfrei, das gilt auch für seine riesige Auswahl an Anwender-Programmen. Die Quellcodes sind offen, was eine Fehlerkorrektur erleichtert. Es unterliegt kaum Einschränkungen, die sich aus kommerziellen Gründen ergeben. Es ist frei von Viren-Problemen. Und es wird von einer freien Gemeinde freier Programmierer erstellt und verbessert, die viele schon von kommunistischen Zuständen schwärmen lässt.Mitunter widerstehen Linux-Produkte dabei schon heute der hyper-kapitalistischen Konkurrenz: Die meisten Server-Rechner laufen auf Linux. Und unter den Supercomputern liefern sich Windows und Linux gerade eine Schlacht. Der Vorteil des freien Betriebssystems: Es ist schneller. Nur um fünf Prozent, aber das ist bei den Riesen-Rechnern ein entscheidender Vorteil.
Rekord-Gewinne dank (vorinstalliertem) Windows
Bei den kleineren Rechnern in Wohnstuben und Büros und Wohnstuben schaut es noch ein wenig anders aus: Auf neun von zehn Computern läuft Windows. Der Teufel defäkiert halt auf den größten Haufen. Windows ist auch deshalb dominant, weil das Microsoft-OS meist auf der Festplatte vorinstalliert ist. Man blecht automatisch dafür mit – beim Kauf des neuen Computers.Seine »Rekordgewinne« (heise.de) erzielt Microsoft entsprechend dank Windows. In anderen Bereichen hat Microsoft längst die Führungsrolle eingebüßt oder nie erlangt, so zum Beispiel bei mobilen, internetfähigen Geräten wie Smartphones.
Google-Mitarbeiter: Windows-Nutzung nur mit Sondererlaubnis
Im Hause Google ist man derweil microsoft-kritisch. Der Suchmaschinen-und-mehr-Konzern verkündete im Juni 2010: Er setze Windows wegen Sicherheitsbedenken nicht mehr in seinen Unternehmen ein. Mitarbeiter dürfen, pardon: müssen zwischen Apple- und Linux-Rechnern als Arbeitsgerät wählen. Wer weiter mit Windows arbeiten will, braucht nun eine Sondererlaubnis von ganz oben. Gewiss, Google ist in mehrfacher Hinsicht Konkurrent des Hauses Microsoft – und die Umstiegsaktion wurde mitunter als »PR-Schlacht« (»Die Zeit«) tituliert. Sie zeigt aber zumindest Eines: Selbst ein weltweit agierender Großkonzern kann auf Windows sehr gut verzichten.Bei Microsoft man rühmt sich derweil, die alten und altbekannten Sicherheitsprobleme abgemildert zu haben: »Sogar Hacker räumen ein, dass wir besser als jeder andere darin sind, unsere Produkte sicherer zu machen«, so eine Konzern-Formel. Mag sein. Aber auch Militaristen-Vereine könnten besser als andere darin sein, weniger kriegerisch zu werden. Das Potenzial, noch pazifistischer zu sein als bisher, ist sogar größer als bei den Pazifisten selbst. Wie selbst Friedensforscher einräumen.
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