Die Ehre des Skatspielers
Die Magdeburger Polizeiaffäre schwelt noch immer. Weiterhin steht Aussage gegen Aussage
Nach zwei Fragen, sagt Klaus-Dieter Liebau, war das Gespräch beendet. Ende März 2010 wurde der einst für die Polizei zuständige Abteilungsleiter im Magdeburger Innenministerium zur Hausspitze zitiert. Dort habe man zuerst wissen wollen, ob er dem Polizeibeamten Klaus-Peter Deppe privat Geld geliehen habe – einem Mann, der seit Jahren sehr verschuldet ist, aber dennoch 2007 mit Liebaus Zustimmung auf einen wichtigen Posten in der größten Polizeidirektion des Landes versetzt wurde. Danach hätten der Minister und sein Staatssekretär noch wissen wollen, ob er sich mit Deppe privat zum Doppelkopf treffe.
»Das war ungeheuerlich«, sagte Liebau gestern im Untersuchungsausschuss des Landtags – und man weiß nicht, was ihn mehr trifft: der indirekte Vorwurf, aus privatem Interesse die Probleme Deppes unter der Decke gehalten zu haben, oder die Vorstellung, er treffe sich mit jemandem zum Doppelkopf: »Ich bin der Inbegriff des Skatspielers!«
Hätten sich Liebau, Innenminister Holger Hövelmann und sein Staatssekretär Rüdiger Erben an jenem Tag miteinander ausgesprochen, müsste der Landtagsausschuss nicht die Frage zu klären versuchen, wann die Ministeriumsführung über die Probleme Deppes informiert war. Weil aber die drei SPD-Genossen seit jenen Tagen nicht mehr miteinander reden, befasst sich das Gremium nun seit Monaten mit sich widersprechenden Versionen der Vorgänge im Frühjahr.
Erklärung in der Kantine
Damals hatten Deppes Probleme zur Anklageerhebung durch den Staatsanwalt geführt, worüber Anfang März erstmals in der Presse berichtet worden war. Hövelmann und Erben fielen nach eigenen Aussagen aus allen Wolken: Sie wollen von der Schuldenmisere nichts gewusst haben und straften die für das Informationsloch Verantwortlichen prompt ab. Zwei Beamte wurden versetzt, darunter Liebau. Dieser aber soll danach in der Kantine erklärt haben, er habe Erben schon 2007 über die Causa unterrichtet – was den Schluss nahelegt, er sei ein Bauernopfer.
Liebau, von Journalisten als ein Mann charakterisiert, dem »beim Reden Ärmelschoner wachsen«, weist Vorwürfe des Gerüchtestreuens weit von sich; er habe »weder in Kantinen noch auf Fluren« über Hintergründe seiner Ablösung gesprochen, sagt er und fügt entrüstet an: »Das ist unter meinem Niveau.« Seine schon im September im Ausschuss geäußerte Kernbehauptung erhielt er auch gestern aufrecht: Er habe Erben im Juli 2007 über Deppes Probleme informiert. »Das kann ich nicht korrigieren«, sagte er auf Nachfrage, »weil es die Wahrheit ist.«
Dem freilich widerspricht nicht nur der Staatssekretär, der kürzlich betont hatte, er sei sich »sehr, sehr sicher«, dass Liebau ihm 2007 nichts über einen im Ministerium eingegangenen Pfändungsbescheid gegen den hohen Polizisten gesagt habe: »Ich hätte sofort gefragt, ob es um ein Zeitschriftenabo oder eine große Betrugsaktion geht.« Gestern sprang auch Minister Hövelmann seinem engsten Mitarbeiter bei: Er halte es für »ausgesprochen unglaubwürdig«, dass dieser Bescheid gewusst haben könne.
Wer wird Schiedsrichter?
Dem Resümee des FDP-Mannes Guido Kosmehl, wonach dann wohl Liebau lüge und Erben nicht, könne er »nicht vehement widersprechen«, fügte der Minister an. Allerdings sei er nicht in »der Rolle des Schiedsrichters«.
Abwägen muss der Ausschuss, womöglich auch der Staatsanwalt; immerhin steht in der heiklen Frage weiter Aussage gegen Aussage. Politische Konsequenzen dürfte der Fall aber selbst dann nicht mehr haben, wenn sich herausstellt, dass Hövelmanns Gefühl trügt. Er selbst ist wohl nur noch bis zur Wahl im März Minister. Und Erben hat seinen Rückzug verkündet: Er will am Sonntag Bürgermeister von Teuchern werden.
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