Krach um Haushaltspläne
Regierung und Opposition liefern sich im Bundestag Schlagabtausch
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hätte doch diejenige sein müssen, die bei Kürzungsplänen von rund 12 Milliarden in ihrem Etat auf die Barrikaden geht. Immerhin wird in ihrem Ressort der Rotstift am kräftigsten angesetzt werden. Aber von der Leyen war am Dienstag die Ruhe selbst. Man spare »da, wo es vertretbar ist«, hielt die Ministerin ihren Kritikern entgegen.
Kapitulationsvorwürfe
Derer gab es freilich viele. Von einem »sozialen Kahlschlag« im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik sprach die SPD-Abgeordnete Bettina Hagedorn. Schwarz-Gelb betreibe soziale Spaltung, war man sich in der Opposition einig.
»Der Haushalt ist eine Kapitulation vor dem Problem der Langzeitarbeitslosigkeit«, äußerte etwa auch die haushaltspolitische Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer, scharfe Kritik. 1,3 Milliarden Euro würden bei den Wiedereingliederungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose gekürzt, rechnete die Grünen-Politikerin. 20 Prozent seien dies. Warum werde gerade in diesem Bereich gespart, zumal die Langzeitarbeitslosigkeit in keinem anderen OECD-Staat so lange dauere wie in Deutschland?
Auch SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil sah vor allem die Langzeitarbeitslosen als Verlierer der Sparpläne. Der SPDler wiederholte die Forderung nach Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns. Bekräftigt wurde diese auch von LINKEN-Chef Klaus Ernst, der der Regierungskoalition vorwarf, sie setze »eine Politik gegen die Bürgerinnen und Bürger durch«. Durch einen solchen Mindestlohn könne die Bundesregierung zudem Gelder sparen, die sie heute zur Aufstockung niedriger Löhne einsetzen müsse. Schon jetzt arbeiteten 6,5 Millionen Menschen in Deutschland zu Niedriglöhnen. »Ich habe in Ihrem Haushalt keine Ansätze gesehen, wie Sie das verändern wollen«, sagte der LINKEN-Politiker.
Am Morgen hatte bereits LINKEN-Fraktionsvize Dietmar Bartsch der schwarz-gelben Koalition vorgeworfen, eine »Lobby-Regierung« zu sein, die die Interessen etwa der Atom-Lobby oder der Banken denen der Bevölkerung voranstelle. Auch mit ihrer Verweigerung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns stand die Union in der Vergangenheit schon oft in der Kritik, die Interessen der Arbeitgeber vor die der Beschäftigten zu stellen.
Zum Problem der bundesweit rund 324 000 Aufstocker sagte von der Leyen jedoch, dass hier nicht die Höhe der Löhne, sondern die gearbeitete Zeit das Problem sei. 75 Prozent der Aufstocker arbeiteten nicht in Vollzeit. Im Ausland beneide man inzwischen Deutschland »um den robusten Arbeitsmarkt nach der Krise«, sagte die Ministerin zudem. Und trotz Sparplänen: Man habe immerhin nun trotzdem für jeden einzelnen Arbeitslosen mehr Geld zur Verfügung als zuvor. Alle Achtung: Auch »bad news« weiß die Ministerin noch als »good news« zu verkaufen. Sie hielt der Kritik die Erfolge von Schwarz-Gelb entgegen: Weniger als drei Millionen Arbeitslose, eine stabile Rentenversicherung mit Aussicht auf Beitragssenkungen für die Einzahler im Jahr 2014 ...
Immer Ärger um Hartz IV
Brigitte Pothmer warf dagegen Schwarz-Gelb vor, die Arbeitslosenstatistiken zu beschönigen. Nicht drei, sondern vier Millionen seien real ohne Beschäftigung, sagte sie Grüne sinngemäß.
Auch die geplanten Hartz-IV-Reformen waren gestern noch einmal Gegenstand der Debatte. Pothmer nannte die geplante Erhöhung des Regelsatzes um nur 5 Prozent »beschämend«. Die SPDlerin Bettina Hagedorn äußerte ihr Unverständnis über die Kürzung des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfänger.
Von der Leyen appellierte dagegen erneut an die Opposition, doch noch eine Einigung bei den Hartz-IV-Plänen zu ermöglichen – bislang will die SPD im Bundesrat, wo Schwarz-Gelb keine Mehrheit hat, gegen die Reform stimmen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.