»Saufen gegen links« auf Steuerzahlers Kosten

Familienministerium fördert umstrittene Berlin-Fahrt »gegen Linksextremismus« der Jungen Union Köln

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
Staatliche Gelder für Initiativen gegen Rechtsextremismus werden sukzessive zusammengestrichen – möge die Zahl rechtsextremer Strafttaten auch im Gegenzug steigen. Laut schwarz-gelbem Koalitionsvertrag richtet sich der Kampf der Bundesregierung gegen »Extremismen aller Art«. Federführend bei all diesen Umschichtungen ist Bundesfamilienministerin Kristina Schröder, CDU- und langjährige Funktionärin der Jungen Union (JU).
Auch ein Besuch in der Köpi steht auf dem JU-Programm. ND-
Auch ein Besuch in der Köpi steht auf dem JU-Programm. ND-

Was der neue »Extremismus«- Schwerpunkt bedeuten kann, verdeutlicht derzeit eine geplante Hauptstadtreise der Jungen Union Köln, die sich unter dem Label »Saufen gegen links« zusammenfassen lässt. »Wir fahren nach Berlin – gegen Linksextremismus«, so ist die für den 16. bis 18. Dezember geplante Fahrt überschrieben.

Deren Programm hat es in sich: Nicht nur soll der »Checkpoint Charlie« an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze besichtigt werden. Auch die Köpi, ein linkes Wohn- und Kulturprojekt in Berlin-Mitte, wollen die Jungschwarzen begutachten. Für Empörung sorgt jedoch ein anderer Programmpunkt: eine Feier »mit unseren Freunden des JU-Deutschlandrates im Felix«. Denn das »Felix« ist eine Berliner Nobeldisko in der Nähe des Luxushotels Adlon. Und laut Eigenwerbung »ein Ort, an dem man sehen und gesehen werden möchte und in pulsierender Clubatmosphäre elegant und ausgelassen feiert«.

Gefördert wird die »Bildungsfahrt« aus Mitteln des Schröder-Ministeriums. Das Geld fließt aus dem Topf »Demokratie stärken«, der bisher vor allem Inititiven gegen rechts finanziell unterstützte. Nicht nur Grünen- und SPD-Politiker sind entgeistert. Auch die Kölner CDU-Abgeordnete Ursula Heinen übt dezente Kritik: »Bei allem Verständnis für den Wunsch nach Freizeit hätte ich mir gewünscht, dass die JU mit einem solch wichtigen Thema wie Linksextremismus ernsthaft umgeht.« Eine kölsche Boulevard-Zeitung spricht derweil schlicht von einer »Vergnügungsreise (...) auf Steuerzahlerkosten«.

»Alle Eintritte, die Übernachtungs-, Verpflegungs- sowie die Fahrtkosten werden von uns übernommen«, kündigen die Köln-JUler auf ihrer Webseite an. Lediglich ein »Teilnehmerbetrag von 20 Euro« muss von den Reisenden bezahlt werden. Er wird jedoch »bei erfolgreicher Teilnahme« – was immer das auch heißen mag! – zurückerstattet. Für die Fahrt kann sogar Bildungsurlaub beantragt werden. Einziger Wermutstropfen in Sachen Rundum-Versorgung: Die Getränkekosten »werden von den Teilnehmern selbst getragen«. Heißt es zumindest...

Es wäre nicht die erste »Saufen gegen links«-Aktion der JU in NRW: Reichlich Altbier wurde kredenzt, als die JU im August eine »SED=PDS=LINKE«-Mauer vor dem Düsseldorfer Landtag aufbaute und ein Bett davorstellte, in dem die Spitzenpolitikerinnen Hannelore Kraft (SPD) und Sylvia Löhrmann (Grüne) lagen. Ein feuchtfröhlicher Protest gegen die als rot-grün-rot empfundene rot-grüne Landesregierung.

Duisburger JUler zechten Anfang Oktober lieber gegen zu viel Feminismus – Randale und sexuelle Belästigung von Fahrtteilnehmerinnen eingeschlossen. Offizielles »Oberthema« dieser »bildungspolitischen Fahrt«: Besuch beim lokalen Abgeordneten im Bundestag. Auf der Webseite der JU Köln werden derweil massig Bilder präsentiert, die Nachwuchs-CDUler beim nicht immer maßvollen Konsum alkoholischer Getränke zeigen, zum Beispiel im Rahmen des »Wochenendseminars Jugend & Politik«. Spätestens am 13. Dezember werden die Schwarzen wieder kollektiv blau werden: Beim »geselligen, weihnachtlichen Abend« in einem »kleinen gemütlichen Brauhaus«. »Zwei Begrüßungskölsch« gibt's gratis. Eine schöne Einstimmung auf die Berlin-Fahrt, die drei Tage später beginnen wird.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.