Er betete für die Juden

Vor 135 Jahren wurde Dompropst Bernhard Lichtenberg geboren

  • Heinrich Fink
  • Lesedauer: 3 Min.

In der Unterkirche der Sankt Hedwigs Kathedrale in Berlin ist eine Seitenkapelle, die den Namen Bernhard Lichtenbergs trägt. Sie ist eine Gedenkstätte für die durch den Faschismus Ermordeten des Bistums Berlin, jene Unerschrockenen, die ihr Eintreten für »unwertes Leben« mit dem eigenen Leben bezahlten.

Hier steht der schlichte Eichensarg von Dompropst Lichtenberg (Foto: dpa), der am 3. Dezember 1875 in Ohlau/Schlesien geboren wurde. Er studierte Theologie an den Universitäten Innsbruck und Breslau und wurde 1900 Kaplan in der damaligen Vorortsgemeinde Berlin-Lichtenberg. Hier lernte er den Alltag und das soziale Elend von Berliner Arbeitern und ihren Kindern kennen. Er verstand sich bald selbst als Anwalt der Ausgebeuteten.

Von den Friedensbestrebungen Papst Benedict dem XV. beeindruckt und ermutigt, schloss er sich schon 1919 dem »Friedensbund Deutscher Katholiken« an und stand später an der Spitze des gemeinsamen Ausschusses des Friedensbundes und des Internationalen Versöhnungsbundes. Der Friedensbund befürwortete außenpolitisch den Völkerbund, die vertragliche Ächtung des Angriffskrieges im Kriegsvölkerrecht und eine europäische Friedensordnung auf der Basis des Versailler Vertrages von 1919. Er bekämpfte Militarismus und Nationalismus, besonders den Bau der Panzerkreuzer (1928), die Bildung von Wehrsportgruppen und die damals häufige strafrechtliche Verurteilung von Pazifisten als Landesverräter. 1933 wurde er wie andere pazifistische Organisationen verboten.

Lichtenbergs Eintreten für Frieden und Gerechtigkeit brachte ihm schon vor der Wahl Hitlers zum Kanzler in Konflikt mit der NSDAP. Für ein Flugblatt mit einer Einladung des Friedensbundes zum Antikriegsfilm Remarques, »Im Westen nichts Neues», das er namentlich und mit vollem Titel unterschrieben hatte, wurde gegen ihn offen in der Presse gehetzt. »Prälat Lichtenberg verhöhnt unsere Gefallenen! Viehische Totenschändung! Katholisches Separatistenzentrum für Remarque-Film!«

Als am 1. April 1933 die Nazis zum Boykott aller nichtarischen Geschäfte aufgerufen hatten, klärte Lichtenberg seine Gemeinde auf, dass dies nur der Anfang eines unmenschlichen Kesseltreibens gegen die jüdische Schwestern und Brüder sei.

Am Abend nach der Pogromnacht, am 10. November 1938, betete Lichtenberg in der Hedwigskathedrale für die verfolgten, »nichtarischen« Christen und Juden. Er ermahnte seine Gemeinde: »Was gestern war, wissen wir. Was morgen ist, wissen wir nicht. Aber was heute geschehen ist, das haben wir erlebt: Draußen brennt der Tempel, das ist auch ein Gotteshaus.« Trotz Warnungen und Bitten seiner Gemeindeglieder, betete der nunmehrige Domprobst unerschrocken weiterhin öffentlich ausdrücklich für die verfolgten Juden. Am 23. Oktober 1941 wurde er verhaftet, von der Gestapo gequält und wegen »Kanzelmissbrauchs« und wiederholtem »Vergehen gegen das Heimtückegesetz« zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Lichtenberg bat, als katholischer Seelsorger ins Ghetto Litzmannstadt (Lodz) gehen zu dürfen. Am 5. November 1943 starb er auf dem Weg ins KZ Dachau. Sein Begräbnis in Berlin wurde zum stillen Protest gegen seine Mörder.

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