Beamte: Stuttgart-21-Einsatz war schlecht geplant

Polizeieinheiten erhielten unzureichende Informationen / Umfragemehrheit für Bahnprojekt

  • Lesedauer: 2 Min.

Stuttgart (dpa/ND). Der harte Polizeieinsatz bei einer Demonstration gegen Stuttgart 21 am 30. September war nach Aussage mehrerer Beamter schlecht vorbereitet und koordiniert. Polizisten aus mehreren Bundesländern berichteten am Donnerstag als Zeugen im Untersuchungsausschuss des Landtags, sie seien von baden-württembergischen Kollegen teilweise unzureichend informiert worden.

Er habe selbst am frühen Morgen des Einsatztages noch nicht gewusst, ob es um Stuttgart 21 oder um einen Terrorprozess in der Landeshauptstadt geht, sagte ein Kriminalhauptkommissar aus Nürnberg. Seine Einheit sei erst am 29. September angefordert worden. Beim Eintreffen in Stuttgart habe er mit etwa 100 Menschen im Schlossgarten gerechnet, sei aber auf rund 1000 Menschen »wie du und ich« getroffen. »Ich habe überraschend sehr viele Menschen vorgefunden, die mir so nicht angekündigt worden waren«, erklärte der Polizeibeamte.

Zudem habe die schwierige Verkehrssituation auf der Fahrt in die Stadt zu Verzögerungen geführt. Seine Einheit habe die geforderte Absperrlinie im Schlossgarten auch nicht halten können, weil zwei weitere angekündigte Hundertschaften aus Baden-Württemberg nicht erschienen seien.

Ein hessischer Beamter benannte weitere Mängel in der Vorbereitung durch die baden-württembergische Polizei, wodurch eine professionelle Arbeit nicht möglich gewesen sei. Er sei es gewohnt, dass Einsätze in Besprechungen und mit schriftlichen Unterlagen vorbereitet werden. »Die hatten wir leider nicht«, sagte der Polizist. Zwei Beamte berichteten, in ihren Einheiten habe es Verletzte durch Pfefferspray und Steine gegeben.

Der Stuttgarter Vize-Polizeipräsident verneinte einen Einfluss der Landesregierung auf den harten Polizeieinsatz bei einer Demonstration. »An eine Erwartungshaltung der Politik kann ich mich jetzt nicht erinnern«, sagte Norbert Walz vor dem Untersuchungsausschuss. Auch habe Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) bei einer Besprechung zehn Tage vor dem Einsatz keine Vorgaben gemacht.

Am 30. September waren bei der Räumung des Schlossgartens durch die Polizei weit mehr als 100 Demonstranten verletzt worden, einige davon schwer.

Stimmungsumschwung

Die Stuttgart-21-Schlichtung hat die Haltung der Baden-Württemberger zu dem Milliarden-Bauvorhaben massiv verändert. Nach einer am Donnerstag veröffentlichten repräsentativen Umfrage im Auftrag des Südwestrundfunks und der »Stuttgarter Zeitung« befürworten jetzt 54 Prozent der Bürger das Bahnprojekt. 38 Prozent sind dagegen. Vor zwei Monaten waren noch 54 Prozent gegen und 35 Prozent für den Umbau des Kopfbahnhofs in eine unterirdische Durchgangsstation und den Bau der Schnellbahntrasse nach Ulm.

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