Erich Honecker und das »Space Plane«
US-Militär testete sieben Monate geheimnisvolle Raumfähre / Wettrüsten im Weltraum befürchtet
Als Erich Honecker am 7. September 1987 beim Bankett in der Bad Godesberger Redoute zu seiner Tischrede ansetzte, hatte der SED-Generalsekretär auch die Sterne im Blick. Der Menschheit könne es nur zum Wohle gereichen, wenn das Wettrüsten auf der Erde beendet und nicht in den Weltraum ausgedehnt wird. Damals hatte Reagans Sternenkriegsprojekt Hochkonjunktur und der Warschauer Vertrag gerade sein Konsultationsangebot an die NATO mit der Ablehnung einer Stationierung von Waffen im All verbunden. Mehr als 23 Jahre später landete am Wochenende eine mysteriöse Raumfähre des US-Militärs auf der Luftwaffenbasis Vandenberg in Kalifornien. Eine Atlas-V-Rakete hatte das von Boeing gebaute Shuttle am 22. April vom Luftwaffenstützpunkt Cape Canaveral in Florida ins All gebracht.
Washington forcierte vor allem unter der Bush-Regierung gleich mehrere weltraumgestützten Rüstungsprojekte. Das »X-37B«, auch Orbital Test Vehicle (OTV) genannt, soll den Planeten in bis zu 900 Kilometern Höhe umkreist haben. Während die »Space Shuttles« der NASA vor allem als Lastenträger dienen, die für maximal zwei Wochen kosmischen Dauereinsatz konstruiert wurden, könnte der kleinere Raumgleiter der Air Force bis zu neun Monate im Orbit bleiben. Er ist rund neun Meter lang und fünf Tonnen schwer.
Was die unbemannte Fähre während ihrer Testmission geladen hatte, bleibt geheim. Kritiker befürchten den Beginn der Weltraumaufrüstung. Amateurastronomen entdeckten den Flugkörper und berechneten seine Umlaufbahn zwischen dem 40. nördlichen und dem 40. südlichen Breitengrad – sie deckte somit unter anderem Irak, Iran, Afghanistan, Pakistan und Nordkorea ab, was einige Fachleute vermuten lässt, dass es sich eher um eine Spionageplattform handelt. In ihrem Laderaum würden auch mehrere kleine Satelliten Platz finden. Militärexperte John Pike, Direktor von Global- security.org, dagegen fragt: »Haben wir hier ein neues Raumschiff oder einen Orbitalbomber vor uns?« Im Moment sei das noch schwierig zu beantworten. Andere bezweifeln, dass die Air Force in Zeiten knapper Kassen und teurer Kriege hunderte Millionen Dollar nur in ein fliegendes Labor stecken würde.
Eine solche unbemannte Plattform verschaffe einem auch »militärische Fähigkeiten«, ist sich Chris Hellman vom National Priorities Project sicher. Die Aussicht, dass künftig gleich mehrere Raumfähren dieser Art die Erde umkreisen, hält nicht nur er für äußerst beunruhigend. Dabei will doch die Obama-Regierung mit ihrer im Sommer verkündeten neuen Weltraumpolitik »nicht mehr mit einem Gegner um die Wette rüsten«.
Der ehemalige Chef der russischen Luftstreitkräfte Anatoli Kornukow sieht die Kampffähigkeit der USA mit dem X-37B-Orbiter jedenfalls deutlich erhöht. Er zeige Washingtons Bestreben, »in den Weltraum zu gelangen und uns zu bedrohen«. Als Antwort auf dieses »Space Plane« müsse Moskau ein neues System zur Abwehr von Angriffen aus dem All und der Luft entwickeln. »Die USA haben schlichtweg auf die Rufe Russlands und der Welt gespuckt, auf die Pläne zur Stationierung von Waffen im Weltraum zu verzichten.«
Seit Jahrzehnten verabschiedet die UN-Vollversammlung zu dieser Frage Resolutionen, die allerdings für die Mitgliedstaaten nur Empfehlungscharakter haben. Der bestehende Weltraumvertrag verbietet wie der Teilteststoppvertrag und der sogenannte Mondvertrag lediglich die kosmische Stationierung von Massenvernichtungswaffen, sodass gefährliche völkerrechtliche Lücken bestehen. Moskau und Peking haben deshalb in der Abrüstungskonferenz der Vereinten Nationen im Februar 2008 einen Vertragsentwurf gegen alle Weltraumwaffen vorgelegt und seitdem mehrfach überarbeitet. Wie Russlands Außenminister Sergej Lawrow damals betonte, würde die Stationierung solcher Waffen im All unweigerlich eine Kettenreaktion auslösen. »Dies wiederum wäre mit einer neuen Spirale des Wettrüstens sowohl im Weltraum als auch auf der Erde befrachtet.« Die Air Force soll schon einen zweiten X-37B-Orbiter bestellt haben.
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