Neues – Besseres?

Was will ich mehr

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.

Man kennt das Gefühl aus dem eigenen Leben: eigentlich ist alles gut, so wie es ist. Und trotzdem – müsste es nicht mehr als alles geben, müsste da nicht irgendwo noch etwas anderes sein, mehr Abenteuer, mehr Ungewissheit, mehr Entdeckerfreude, etwas ganz Neues und vielleicht viel Besseres eben?

Anna hat einen Job, der gut läuft, mit einem Chef, der ihre Leistungen zu schätzen weiß, und Kollegen, die gemeinsam feiern können. Hat einen Freund und Lebenspartner (Giuseppe Battiston), der tagsüber im eigenen Laden Handtaschen verkauft und abends in seiner Freizeit Dinge repariert, die anderen kaputtgegangen sind. Der moppelig ist, Brille trägt und Bart und vielleicht nicht jedermanns Vorstellung erfüllt von einem aufregenden Mann für alle Lebenslagen. Der dafür bindungswillig ist und unaufgeregt verlässlich, ein geschickter Handwerker, ein Nestbauer und Fürsorger, einer, der nicht gleich hinter seiner Freundin hertelefoniert, nur weil sie abends mal später nach Hause kommt.

Vielleicht ist es das, was Anna abgeht. Dass einer mal nachfragt, dass er sich auch mal sorgt um die Beziehung, dass er nicht so gleichbleibend tolerant ist und todsicher da, wenn man ihn braucht, und nicht immer so stillschweigend verständnisvoll, so wenig misstrauisch und seines Besitzstandes so sicher. Und das auch noch, als die Freunde schon längst wissen oder ahnen, dass Anna sich auf Abwege begeben hat. Sich mit einem anderen Mann trifft, einer Zufallsbekanntschaft aus dem Büro-Umfeld, einem, der noch nicht alle ihre Vorlieben und jeden Winkel ihres Körpers kennt. Einem, der nicht über Kinder mit ihr reden will, die man allmählich kriegen könnte, wo doch die Freunde auch gerade mit der Familiengründung beginnen, sondern schweigt von Kindern.

Schon weil er bereits zwei davon zu Hause hat, nebst einer Frau, die ganz anders reagiert als Annas Freund, schon weil sie wütend wird und vorwurfsvoll nachhakt, wenn Domenico (Pierfrancesco Favino) mal das Handy ausstellt oder vom Tauchen im Schwimmbad mit einem trockenen Bademantel zurückkommt. Weil er nämlich gar nicht dort war, im Schwimmbad, sondern mit Anna in einem Hotel, das er zumindest sich nicht leisten kann.

Der Augenblick, der ihrer aller Leben verändert, die erste Verabredung, der erste Griff zum Handy, ist für Anna zumindest offenbar so zwingend, dass sie nicht nur nicht anders kann, als ihren Partner betrügen – sie will auch gar nicht anders. Für Domenico ist das zu Beginn nicht so, der zögert noch, bevor auch er sich fallen lässt. Verheiratet mit Kindern und verantwortlich für das Einkommen der Familie, das sind eben doch andere Verantwortlichkeiten, als Anna sie bisher eingehen mochte.

Italiens deutsch-italienischer Nachwuchsstar Alba Rohrwacher mit ihren rotblonden Struwwelhaaren, den kohlschwarz umrandeten Augen und einer ungewohnt weiblichen Figur (die sie sich für die Rolle extra anfuttern musste, wie der Regisseur erzählt) ist eine fahrige Anna, eine Getriebene auf der Suche nach mehr als nur Sex mit einem unerforschten Liebhaber – ohne dass man als Zuschauer so recht wüsste, warum. Was Regisseur Silvio Soldini in seinem Erfolgsfilm »Brot und Tulpen« als Ausweg aus der Einsamkeit in oder außerhalb der Ehe feierte, die unerwartete neue Beziehung, die wie ein Blitzschlag zwei Leben trifft und völlig verändert, ist hier potenziell der Keil, der ihrer aller Leben sprengt, ohne dass gesagt wäre, dass aus so viel Umsturz etwas Neues entstehen kann. Denn wie viel Trümmerberge vorheriger Beziehungen verträgt das neue Leben in seinem Fundament?

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