Teure Gebühren für Mittelmaß
Australien: Trotz gutem PISA-Ergebnis steht das Schulsystem in der Kritik
Mehr 100 Millionen Australische Dollar (AUD), umgerechnet rund 74 Millionen Euro, haben allein die drei reichsten Schulen auf der hohen Kante, berichtete vor wenigen Wochen die Tageszeitung »The Australian«. Die »Melbourne Grammar« führt die Liste mit 128 Millionen AUD an, gefolgt vom »Scotch College« (ebenfalls Melbourne) mit 116 Millionen und der »Geelong Grammar« mit knapp 109 Millionen. Allein im vergangenen Jahr soll das »Scotch College« einen Reinerlös von 13,9 Millionen AUD erzielt haben, bei der »Geelong Grammar« belief sich der Profit auf 10,6 Millionen. Ähnlich gut stehen die anderen Privatschulen des Landes da.
Das Ganze würde die breite Öffentlichkeit vielleicht weniger interessieren, wenn es nicht die staatlichen Zuschüsse gäbe – ebenfalls in Millionenhöhe nämlich werden diese Top-Einrichtungen des privaten Schulwesens, das parallel neben dem allgemeinen besteht, aus dem Steuersäckel gefördert. Bei »Geelong Grammar« zum Beispiel waren das voriges Jahr 6,8 Millionen AUD, wovon allein drei Millionen auf das Schulausbau-Programm der Nationalregierung fielen. Aber auch aus den jeweilen Regionaladministrationen der Bundesstaaten New South Wales oder Victoria erhalten die Einrichtungen weitere Mittel.
Angesichts der Tatsache, dass die Beihilfen aus dem Staatshaushalt allein bei diesen fünf Schulen zwischen 42 und 84 Prozent des Einnahmeüberschusses im Vorjahr ausmachten, beraten nun auch die zuständigen Minister beider Ebenen gemeinsam mit Experten, welche Reformen womöglich notwendig sind. Brauchen diese Einrichtungen überhaupt noch Zuschüsse vom Staat, und wenn ja, wie soll über diese gewacht werden?
Einige der in die Kritik geratenen Schulen sehen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. »Jeder dritte Schüler besucht eine Privatschule, die aber insgesamt nur 23 Prozent der staatlichen Ausgaben für den Bildungssektor erhalten«, sagte Roy Kelley, der Direktor der »Melbourne Grammar«, gegenüber Reportern.
Angelo Gavrielatos, Vorsitzender der Bildungsgewerkschaft AEU, will in jedem Fall eine für die Öffentlichkeit genau nachvollziehbare Auflistung von Einnahmen und Vermögen, wie sie die heutige Regierungschefin Julia Gillard 2008 als Bildungsministerin vor dem Parlament versprochen hatte. Mit dem Internetportal My School ist seit dem Frühjahr zwar eine generelle Übersicht gegeben. Was die finanzielle Seite angeht, würden Millionenbeträge, die in Immobilien, Treuhandkonten und sonstigen Quellen angelegt sind, aber bislang nicht vermerkt. Dies, so der AEU-Chef, führe zu einem verzerrten Bild für so manche Einrichtung.
Die Debatte würde vielleicht weniger aufgeregt geführt, wenn nicht die erste Vorstellung von My School vor einigen Monaten gezeigt hätte, dass viele renommierte Privatschulen in Qualität und Lernergebnissen hinter den öffentlichen Schulen der Nachbarschaft zurückstehen. Am 28. Januar, als die Webseite online ging, waren allein während der ersten Stunde 290 000 Aufrufe zu verzeichnen. Eltern mussten zu ihrer Verblüffung feststellen, dass der tiefe Griff in den Geldbeutel nicht immer auch mit einem besseren Bildungsangebot einhergeht. Die Vereinigung der Privatschulen wertete zwar das Abschneiden der meisten ihrer Mitgliedseinrichtungen im oberen Mittelfeld als »sehr gutes Ergebnis«. Gemessen an Schulgebühren von bis zu 20 000 AUD im Jahr waren manche Eltern aber wohl ernüchtert, dass die angebliche Top-Schule ihres Sprösslings erst auf Platz drei oder vier nach benachbarten staatlichen Schulen landete.
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