Falscher Salut dem Wehrpflichtende

Koalitionsausschuss schneidet alten Zopf ab, doch bei der Rüstung wird nicht gekürzt

  • René Heilig
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Koalition von CDU, CSU und FDP hat sich am Donnerstagabend auf die Aussetzung der Wehrpflicht zum 1. Juli verständigt. Obwohl das nach gleichlautenden Bekenntnissen der maßgeblichen Unions- und FDP-Politiker kaum verwundern kann, ist das vielen einen Nachrichtensalut wert. Vielleicht, weil der die andere Seiten der Bundeswehrreform übertönt – beispielsweise im Bereich der Rüstung?
Noch in der Planung, ein Flugabwehrwaffensystem unter anderem von Rheinmetall
Noch in der Planung, ein Flugabwehrwaffensystem unter anderem von Rheinmetall

Die Nachricht aus der Koalitionsrunde ist noch nicht die Vollzugsmeldung, denn die Entscheidung trifft das Parlament. Doch dass der Bundestag mit Mehrheit zustimmt, ist klar. Die Bundeswehr wird kleiner. Sie schrumpft bis auf 185 000 Soldatinnen und Soldaten. Die Anzahl der Berufs- und Zeitsoldaten soll bei 170 000 festgeschrieben werden. Man kann sich also bis zu 15 000 Kurzdiener leisten.

Doch die Bundeswehr leistet sich noch weitaus mehr. Das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) hat jede Menge zu tun, denn die Strukturkommission hat empfohlen, »Defizite bei der Entwicklung, Beschaffung und Nutzung (...) umgehend zu beseitigen«.

Man denkt dabei »vom Einsatz her«, heißt es, und in der Tat bietet Afghanistan ein reiches Experimentierfeld. Dabei geht es um mehr als Schießbrillen oder neue Feldbetten. Vor wenigen Tagen erst wurden die ersten beiden »Puma«-Schützenpanzer an das BWB übergeben. 405 Stück hat die Bundeswehr bestellt – noch bevor über Pläne zur Verkleinerung der Truppe beraten wurde. Hergestellt werden die »Pumas« von einer Projektgesellschaft, in der die beiden großen Panzerschmieden – Krauss-Maffei-Wegmann und Rheinmetall – vertreten sind. Beiden Firmen geht es – so die Bilanzen der ersten drei Quartale 2010 – extrem gut. Und so wird es bleiben, allein der Vertragswert für die »Pumas« beläuft sich auf 3,1 Milliarden Euro.

Obwohl eigentlich längst als unsinnig erkannt, läuft in der BWB-Projektabteilung Land-Kampf die Entwicklung des transatlantischen Rüstungsprojekts MEADS weiter. Das Luftabwehrsystem, an dem Deutschland mit 25,2 Prozent beteiligt ist (USA: 58,1 , Italien: 16,7) war mit Kosten von 850 Millionen Euro geplant worden. Bereits jetzt liegen die Kosten bei 1,1 Milliarden Euro und damit 35 Prozent über dem Soll. Schätzungen gehen bereits von 1,5 Milliarden Euro Kosten nur für die Entwicklung aus. Das wäre eine Steigerung von 56 Prozent. Eigentlich sollte MEADS 2012 die Patriot-Raketen ablösen. Das wird nichts, weshalb sich das BWB parallel um deren Kampfwertsteigerung sorgt.

Projekte dieser Art gibt es zuhauf – zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Denn die Koalitionäre haben wohl die Aussetzung der Wehrpflicht, nicht aber die Aussetzung der Rüstung verabredet.

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