Aus der Arbeitslosigkeit in die Genossenschaft
Treffen von Sozialgenossenschaften in Freiburg dient der Vernetzungung und dem Austausch
Genossenschaften, die haushaltsnahe Dienstleistungen für Senioren anbieten, sind in Deutschland noch selten. In Konkurrenz zu etablierten Pflegediensten und finanzstarken karitativen Einrichtungen kämpfen diese, meist aus der Arbeitslosigkeit heraus gegründeten Unternehmen um existenzsichernde Marktanteile. In Freiburg haben sie sich in dieser Woche zusammengetan, um sich über Kundenmarketing, Wirtschaftlichkeit, Mitarbeiter- und Mitgliedergewinnung, ihrem Angebotspektrum, Qualifizierung und die eigene Professionalität auszutauschen. Die Ergebnisse sollen bestehenden und zukünftigen Genossenschaften zugutekommen.
Berufserfahrene aber arbeitslose Handwerker, Lageristen, Laboranten und Kaufleute waren es, die vor fünf Jahren gemeinsam mit engagierten Bürgern in Freiburg die SAGES-Serviceagentur für Seniorinnen und Senioren gründeten. Ziel war es, alten Menschen mit Dienstleistungen, die keine Pflegeversicherung abdeckt, ein würdevolles Leben im eigenen Zuhause zu ermöglichen. Mit dabei war auch Volker Theis: »Je nach Bedarf bieten wir punktgenaue Serviceleistungen wie Bügeln, Staubsaugen, Einkaufen, Rasen mähen, kleinere Reparaturen bis hin zu Fahrdiensten an«, zählt der heutige Geschäftsführer auf. Er erinnert sich an den langen Weg, bis das Unternehmen im vergangenen Jahr erstmals schwarze Zahlen schrieb. Von den damals 15 Arbeitssuchenden haben heute zwei eine Vollzeitstelle. Andere betreuen auf 400-Euro-Basis, für einige führte das genossenschaftliche Engagement zur Festanstellung in der Altenpflege.
Die Sozialgenossenschaft Haus und Garten im 15 Kilometer entfernten Kirchzarten dagegen ist aus einem Arbeitslosenprojekt der Diakonie entstanden. Einstellungsvoraussetzung waren Langzeitarbeitslosigkeit, Migrationshintergrund oder Behinderung. Heute sind die vier Mitarbeiter ein gefragtes Team in der Haus- und Gartenpflege und sichern Bäume vor Astbruch in Seilklettertechnik.
Ob handwerklich wie GEOS in Wuppertal oder auf Gebraucht- und Neuwarenhandel ausgerichtet wie Fundus in Köln, ob ein genossenschaftlicher Zusammenschluss von 30 Handwerkern und Dienstleistern im »Generationencenter« in Dortmund oder ein Mehrgenerationenhaus der Genossenschaft Gaarden in Kiel, sie alle verbindet die Gründung einer sozialen Dienstleistungsgenossenschaft aus der Arbeitslosigkeit heraus.
Bei ihrem dreitägigen Treffen setzen sich die Teilnehmer mit »bisherigen Erfolgen« ebenso auseinander wie mit »den Schwierigkeiten, die Unternehmensgründungen mit sich bringen«, betont Mitorganisator und Genossenschaftsexperte Burghard Flieger. Thematisiert würden die wirtschaftliche Stabilisierung nach der Gründung mit oft sehr geringem Startkapital, Arbeits- und Leitungsqualifizierung, die Besonderheiten von Professionalität und genossenschaftlichem Ehrenamt bei den Vorstands- und Aufsichtsrataufgaben. Aber auch Fantasie und Marktgespür beim Angebotsspektrum und der Kundenbetreuung würden hinterfragt.
Während in Deutschland Unternehmensgründungen aus der Arbeitslosigkeit heraus mit 30 bis 35 Projekten als »Vorreiter neuer genossenschaftlicher Ansätze« gelten, seien es »in Italien bereits mehrere tausend«, betont Flieger. Etwa die Hälfte der Gründungen hierzulande gehe auf das Engagement der innova-eG in Leipzig zurück, die seit 2001 gründungswillige Teams beim Aufbau von Selbsthilfegenossenschaften unterstützt.
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