Mittags endete die Freundlichkeit

Castortransport nach Lubmin: Jetzt rufen alle Seiten nach Konsequenzen / Nach dem Transport fordern die Kernkraftgegner den Rücktritt des Schweriner Innenministers

  • Fabian Lambeck und Velten Schäfer, Greifswald
  • Lesedauer: 4 Min.
Es hatte der deeskalierteste Castortransport aller Zeiten werden sollen – doch dann brachte die überraschende Blockadeaktion von Robin Wood die Polizeikonzepte durcheinander. Die Beamten hätten konfus und teils rechtswidrig reagiert, kritisieren die Castorgegner am Tag danach.
Gleise blockieren im Schnee
Gleise blockieren im Schnee

Als die Drei in den grünen Jacken in den Raum kommen, erhebt sich ein leises Raunen. Fast sechs Stunden hatten die Leute von Robin Wood den Atommüll-Zug am Donnerstag aufgehalten – bis zu den Sendezeiten der Hauptnachrichten. Doch so viel hat Sarah, eine der beiden Angeketteten, gar nicht zu der Aktion zu sagen bei der Bilanz-Pressekonferenz der Atomkraftgegner. Die Aktion sei nur ein »Mosaikstein« gewesen – und ohne die offen angekündigte Sitzblockade bei Kräpelin unmöglich: »Das hat die Polizeikräfte gebunden.«

Es sollte der Castor des Lächelns werden ...

Zudem sagt sie, wie wichtig die Betreuer-Personen bei solchen Aktionen seien – damit, wer sich bewusst in solche Hilflosigkeit begibt, nicht der Polizei völlig ausgeliefert ist, »etwa beim Wechseln nasser Unterwäsche«. Insofern sei es eine »kritische Situation« gewesen, als die Robin-Wood-Betreuer abgeführt wurden – »unter Zufügung von Schmerzen« und entgegen einer ersten Absprache, wie Jana sagt, eine der Betreuerinnen. Dennoch resümiert die Blockiererin Sarah, eine junge Frau mit blonden Rastazöpfen, dass »insgesamt gut mit uns umgegangen wurde«.

Der Lubminer Transport sollte so etwas werden wie der Castor des Lächelns – Protestgruppen und Polizei hatten sich im Vorfeld betont konziliant gegeben. Doch als am Nachmittag die Robin-Wood-Blockade bekannt wurde und die Einsatzpläne plötzlich Makulatur wurden, habe sich das drastisch geändert, klagen die Castorgegner, die sich an der Sitzblockade beteiligt hatten.

So wurden die in Gewahrsam genommenen Blockierer auf offenem Feld festgehalten – »Feldgewahrsam« im Polizeijargon. Bei eisigen Temperaturen mussten die Blockierer zunächst auf der offenen Fläche ausharren: Es seien nicht genug Busse vor Ort, um die 150 Festgesetzten zur Gefangenensammelstelle (Gesa) nach Wolgast zu transportieren.

Für den Anwalt Michael Noetzel vom Ermittlungsausschuss (EA) war schon die »Ingewahrsamnahme der Demonstranten rechtswidrig«. Es sei völlig klar gewesen, so der Rostocker Jurist, dass die Polizei nicht genügend Transportmittel hatte. Zudem hätten die personellen Ressourcen in der Gesa nicht ausgereicht, um die »vom Gesetz vorgesehene unverzügliche richterliche Vorführung zu gewährleisten«, kritisiert Noetzel.

Auch beim Abtransport nach Wolgast war das Chaos offenbar groß. Einige Gefangene verbrachten mehrere Stunden in den winzigen Zellen der ungeheizten Transportfahrzeuge, darunter die Greifswalder Stadträtin Ulrike Berger (Grüne). Die Betroffenen seien in Käfige für jeweils bis zu 50 Menschen gesperrt worden. »Sollten die Vorwürfe zutreffen«, so EA-Anwalt Noetzel, »dann wäre das natürlich eine große Schweinerei.« Erst vor kurzem hatte das Oberverwaltungsgericht Schwerin in einem Anerkenntnisurteil festgestellt, dass die bei den G8-Protesten 2007 in Rostock praktizierte »Käfighaltung« rechtswidrig war.

Bis zu zwölf Stunden hätten manche auf einen Richter gewartet – für Noetzel »ein Unding«. Einige Greenpeace- und Robin Wood-Aktivsten habe man aufgrund nicht nachvollziehbarer Gefahrenprognosen festgehalten. Offenbar fürchtete man, die Betroffenen könnten zu den Gleisen zurückkehren. Dabei hatte selbst die Polizei Schwierigkeiten, bei den Witterungsverhältnissen voranzukommen. Erst nachdem der Castor das Zwischenlager erreicht hatte, seien die Festgenommenen auf freien Fuß gesetzt worden. Die Gleisblockierer von Vierow kamen zwar früher heraus, doch wurden sie in Wolgast bei »Nacht und Nebel« ausgesetzt, so Noetzel. Busse und Bahnen fuhren nicht mehr, Aktivisten aus Greifswald machten sich mit ihren Autos auf den Weg.

Zudem, so Protestsprecher Adelwin Bothe, habe die Polizei die Protest-Sanitäter »massiv in ihrem Einsatz behindert«. Selbst die Erfahrenen unter den Demo-Sanitätern hätten »so etwas noch nicht erlebt«.

Insgesamt ist daher wenig übrig vom Castor der Deeskalation. Am Ende fordert Bothe sogar den Rücktritt des Schweriner Innenministers Lorenz Caffier (CDU). Der habe sich nicht in der Lage gezeigt, einen solchen Protest »im Rahmen von Rechtsstaat und Demokratie durchzuführen«.

Caffier dagegen hat Anzeige gegen die beiden Robin-Wood-Aktivisten erstattet. Im Radiosender NDR 1 Radio MV kündigte er zudem weitere Konsequenzen für Robin Wood an: »Ich werde dem Bundesfinanzminister schreiben, um zu prüfen, inwiefern ein Verein noch als gemeinnützig anerkannt werden kann, der nichts anderes vorhat, als die Bevölkerung zu tyrannisieren.«

Die Polizei droht eine saftige Rechnung an

Für Robin Wood könnte der Protest nun teuer werden: Die Polizei hat Sarah und dem anderen Angeketteten, einem 29-jährigen Kölner, eine saftige Rechnung angekündigt. Sie sollen für den Polizeieinsatz bezahlen. Das wird nach Einschätzung von Bundespolizeiführer Joachim Franklin »keine billige Tasse Tee«. Nach ersten Schätzungen soll die Rechnung rund 10 000 Euro je Person betragen.

Wegen der winterlichen Straßenlage wird der Einsatz aber auch für die Polizei noch teurer als gedacht. Auf der Rückfahrt vom Castor-Einsatz in Lubmin am Freitagmorgen verunglückten auf der Autobahn A20 gleich fünf Mannschaftswagen innerhalb kurzer Zeit. Ein Fahrer wurde dabei leicht verletzt, zumeist blieb es aber bei Blechschäden, die nun auch beglichen werden wollen.

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