Miliband wirbt um Labour-Nachwuchs

Junge Briten sollen mit Billigstbeiträgen zur Mitgliedschaft bewogen werden

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Angebot kam offiziell als »Christmas invitation« daher, als Einladung also, doch das Weihnachtsgeschenk war vor allem eine Geste politischer Verzweiflung.

Der erst im September zum neuen Führer der britischen Labour Party gewählte Ed Miliband legte in London jungen Politikinteressierten nahe, für den symbolischen Betrag von 1 Pence (etwa 1,2 Eurocent) Mitglied der sozialdemokratischen Partei zu werden. Das Sonderangebot ist auf ein Jahr befristet, kann für eine Antragstellung bis zu den nächsten Regional- und Gemeinderatswahlen in England am 5. Mai 2011 in Anspruch genommen und von Bürgern unter 27 genutzt werden.

Auf einer Pressekonferenz am Sitz der Partei, die seit den Parlamentswahlen im Frühjahr nach 13-jähriger Regierungszeit wieder in der parlamentarischen Opposition steht, erklärte Miliband, die Einladung zum Parteibeitritt im Rahmen der Kampagne »Sprich für deine Generation« werde jungen Leuten eine politische Stimme geben. Nach Parteiangaben, die mit Vorsicht zu genießen sind, will die Labour Party seit der verlorenen Unterhauswahl und dem damit verbundenen Abgang von Premierminister Gordon Brown fast 50 000 neue Mitglieder gewonnen und eine Gesamtmitgliederzahl von »deutlich über« 180 000 erreicht haben. Die Weihnachtsaktion soll der Mitgliederwerbung Schwung verleihen.

Der Zeitpunkt für die Kampagne ist nicht zufällig. Die konservativ-liberale Regierung von Premier David Cameron (Tories) und Vizepremier Nick Clegg (Liberaldemokraten), die erste förmliche Koalitionsregierung in Großbritannien seit Ende des Zweiten Weltkriegs, hat dem Land im Frühherbst ein rabiat unsoziales Sparprogramm verordnet und vor wenigen Wochen die Studiengebühren teilweise verdreifacht. Das hat zu bisweilen gewalttätigen Protesten enttäuschter Studenten in London und anderen Städten der Insel geführt: Sie fühlen sich angesichts enorm steigender Kosten um ihre beruflichen Aufstiegs- und Zukunftschancen gebracht. Die Mitte-Rechts-Koalition ist damit zugleich einem ersten Härtetest ausgesetzt. Er betrifft namentlich den liberalen Juniorpartner, der nach einem offiziellen Wahlkampfversprechen gegen jede Erhöhung der Studiengebühren heute von vielen Wählern als wortbrüchig am Pranger steht.

Die spektakuläre Werbeaktion Labours stellt vor diesem Hintergrund auch den Versuch dar, erste Spaltungsanzeichen in der Regierungskoalition voranzutreiben und insbesondere von den Liberalen enttäuschte Wähler zu Labour zu ziehen. Ed Miliband, in der im Mai abgewählten Labour-Regierung Minister für Energiepolitik, sprach von einer »unfairen Verdreifachung« der Studiengebühren durch die neue Regierung. Seine Partei werde das nicht hinnehmen und nicht erlauben, dass die jungen Menschen die Lasten gebrochener Wahlversprechen der Regierungsparteien tragen müssen. Das klingt gut in den Ohren unbedarfter junger Leute. Aufgewecktere erinnern sich gut daran, dass es niemand anderes als die Labour Party selbst unter ihren damaligen Führern Blair und Brown war, die vor Jahren die Einführung von Studiengebühren veranlasst hatte und deshalb jetzt nur mit begrenzter Berechtigung ihren Protest gegen die potenziell diskriminierenden Studienregelungen vortragen kann. Es ist deshalb mehr als fraglich, ob der bislang seltsam blasse Parteiführer Miliband (40) mit seiner Überraschungseinladung bleibenden und zählbaren Eindruck für seine Partei hinterlassen wird.

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