Quo vadis Hartz-IV-Reform?
Regierung und rot-grüne Teilopposition auf der Suche nach einem Kompromiss
Die Hartz-IV-Reform von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) steckt fest. Nicht nur, dass die schmale Regelsatzerhöhung um fünf Euro nicht wie geplant ab 1. Januar ausgezahlt werden kann. Auch das winzige Bildungspaket für Kinder aus armen Haushalten kann nicht in Kraft treten. Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem Hartz-IV-Urteil vom Februar eindeutig entschieden, dass die Regelsätze bis Januar 2011 neu berechnet sein müssten. Doch Regierung und Opposition konnten sich während der letzten Bundesratssitzung am 17. Dezember auf keinen Kompromiss einigen. Dort ist Schwarz-Gelb auf Stimmen aus dem rot-grünen Lager angewiesen, da Union und FDP keine Mehrheit in der Länderkammer haben. Beide Oppositionsparteien knüpfen ihr Ja an Forderungen. So will die SPD, dass das sogenannte Bildungspaket »nicht nur für Kinder von Arbeitslosengeld-II-Haushalten zur Verfügung steht«. Hier scheint eine Einigung möglich. Immerhin will Ursula von der Leyen die mageren Leistungen des Pakets auch für die 140 000 Kinder jener Geringverdiener bereithalten, die Wohngeld vom Staat beziehen. Allerdings legte SPD-Verhandlungsführer Hubertus Heil am Mittwoch nach und sagte der »Rheinischen Post«, das Bildungspaket solle es »auch für Kinder im Alter von über 18 Jahren geben, die noch in der Ausbildung sind«. Zum Forderungskatalog der SPD gehört auch der »flächendeckende Ausbau von Kitas und Ganztagsschulen«. Hier sind Kompromisse in Form schwammiger Absichtserklärungen durchaus möglich.
Schwieriger wird es schon bei der auch von den Grünen geforderten »Einführung von flächendeckenden Mindestlöhnen«. Hier ziert sich vor allem die FDP. Der stellvertretende Vorsitzende des CDU-Arbeitnehmerflügels CDA, Christian Bäumler, hofft nun, dass man den Mindestlohn in einem »Gesamtpaket« vorm Koalitionspartner verstecken könnte.
Es gibt viel zu tun für den Vermittlungsausschuss, der momentan nur auf Arbeitsebene hinter verschlossenen Türen tagt. Übrigens ohne Mitwirkung der LINKEN, die man nicht dabei haben wollte. Die nächste offizielle Ausschusssitzung ist für den 7. Januar anberaumt. Bis dahin soll ein Kompromiss gefunden sein. Kein Ding der Unmöglichkeit: Vor allem, weil SPD und Grüne den neuen Hartz-IV-Satz zwar als »künstlich kleingerechnet« kritisieren, aber eigene Vorschläge zur Regelsatzhöhe schuldig bleiben.
Vielleicht behält Linksfraktionschef Gregor Gysi recht. Gysi befürchtet, dass die Saar-Grünen umkippen könnten und sich im Bundesrat anders verhalten als die übrigen Grünen. Die drei Stimmen des Saarlandes, in dem die Grünen zusammen mit CDU und FDP regieren, würden für eine Mehrheit reichen. Dann könnte das Gesetzesvorhaben bereits auf der Bundesratssitzung am 11. Februar abgesegnet werden. Allerdings, so Gysi, werde das Bundesverfassungsgericht letztendlich über die Reform entscheiden. Der Linkspolitiker sagte der Nachrichtenagentur dapd, er glaube nicht, dass beim Geschacher im Ausschuss »etwas Verfassungskonformes« herauskomme.
Wie dem auch sei: Heinrich Alt von der Bundesagentur für Arbeit (BA) erklärte am Dienstag, die Regelsatzerhöhung könne frühestens ab April rückwirkend ausgezahlt werden. Er warnte davor, Widerspruch gegen die Bescheide der Jobcenter einzulegen. »Das kann nicht im Interesse der Gemeinschaft sein und schadet letztendlich nur unseren Kunden«, sagte Alt. Doch die »Kunden« sehen das anders. So rief Martin Behrsing vom Erwerbslosen Forum Deutschland dazu auf, Widersprüche einzureichen. Da die BA Bescheide auf Grundlage bisherigen Rechts versandt habe, ohne die Bescheide für vorläufig zu erklären. »Diese Bedenken können nur durch Sozialgerichte geklärt werden«, betonte Behrsing.
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