Platzpatron mit Nazimakel
Jenaer »Peter-Petersen-Platz« heißt weiter nach dem Pädagogen, der ein Rassist war
Als »Säulenheiliger« der deutschen Erziehungswissenschaft galt der Pädagoge Peter Petersen (1884-1952) vor allem wegen seines reformerischen »Jenaplan«-Schulkonzeptes. Seit neuere Dokumente und Studien belegen, dass Petersens Wirken während der Nazizeit weit schwerer belastet ist als nur durch banal-lässliches Opportunistentum, ist ein heftiger Streit um die Persönlichkeit des einst anerkannten Reformers entbrannt. In Jena wird sich jedoch gemäß eines Abstimmungsergebnisses im Kulturausschuss des Stadtrates vorerst nichts an dem rassistisch verunreinigten Namen des dortigen Peter-Petersen-Platzes ändern.
In Konsequenz der Enthüllungen von Petersens stramm rassistisch-antisemitischem Auftreten hatten sich seit 2009 zahlreiche Schulen und andere Institutionen vom einstigen Namenspatron getrennt. In Jena protestierten angehende Lehrer von den »GEW-Studis (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft)« im November mit einer Plakataktion gegen den unehrenhaften Ehrennamen des Peter-Petersen-Platzes. Markante Petersen-Zitate standen auf den Posters wie »Neue Erziehungswissenschaft gibt dem Satz seinen vollen Sinn: Adolf Hitler, der Erzieher des deutschen Volkes«. oder »Weil es dem Juden unmöglich wird, unsre Art innerlich mitzuleben, so wirkt er in allem, das er angreift, für uns zersetzend, verflachend, ja vergiftend.« Mit solchen und anderen entlarvenden Sprüchen warfen die Demonstrierenden Schlaglichter auf den Ungeist, den der hoch gelobte Jenaplan-Schöpfer seinerzeit ohne Not und Zwang verbreitete. Und am 14. November 2010 stimmten nun die Mitglieder des Kulturausschusses im Jenaer Stadtrat darüber ab, ob der zentrale städtische Platz weiter nach Petersen heißen soll. Das erzielte »Unentschieden« zwischen Ja- und Nein-Stimmen bedeutet ein Festhalten am zweifelhaften Namen.
Konsens oder fauler Kompromiss?
Der Anstoß, Peter Petersen grundsätzlich eines Ehrennamensgebers für unwürdig zu erklären, war von dem Frankfurter Erziehungswissenschaftler Benjamin Ortmeyer ausgegangen. Er hatte über Petersen und andere Vertreter der so genannten geisteswissenschaftlichen Pädagogik jahrelang geforscht und war auf teilweise skandalöse Tatsachen, Zeugnisse und Dokumente gestoßen. Seit der Veröffentlichung von Ortmeyers Buch »Mythos und Pathos statt Logos und Ethos« hatte der Streit um den rassistischen Pädagogen weit über den engen Kreis der Erziehungstheoretiker hinaus gestrahlt. Er hatte Schülerinnen und Lehrer, Bibliothekarinnen oder Schulbehördenmitarbeiter erfasst – und zur Änderung des Namens der jeweiligen Institution geführt, so sie nach Peter Petersen hieß.
Anders in Jena. Dort war nach der Umbenennung des Karl-Marx-Platzes in Peter-Petersen-Platz 1990 die Adressenbezeichnung 2010 wiederum offen – und zuständigkeitshalber dem Kulturausschuss beim Stadtrat anheim gestellt. Was wiegt schwerer, das fortschrittliche Reformkonzept Jenaplan oder das moralische Versagen des Peter Petersen? Diese vordergründig konsensorientierte, hintergründig jedoch kompromisslerische Richtung hatten die Petersen-»Platzhirsche« der Debatte bereits im Vorfeld der Abstimmung aufgedrückt.
Besonders auffällig auch das Bemühen, die Sitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden zu lassen. Oberbürgermeister Albrecht Schröter plädierte für die Beibehaltung des Namens »mit deutlich kritischem Zusatz«. Auch Norbert Comouth und Kulturdezernent Frank Schenker (CDU), Dr. Eckhard Birckner (»Bürger für Jena«) und Markus Giebe (SPD) sind gegen die Umbenennung – und begründeten ähnlich nach dem »Ja, aber«-Schema.
Braune Netzgemeinde jubelt über Patt
Beate Jonscher und Karin Kaschuba (LINKE) sind hingegen konsequent für das Umbenennen und wollen den Akt der Namensänderung in das vom Stadtrat bereits beschlossene NS-Gedenkkonzept integrieren. Das bei der Abstimmung erzielte 5:5-Ergebnis (Pro Umbenennung: Linke 2, SPD 1, Grüne 1, FDP 1; contra SPD 2, CDU 2, »Bürger für Jena« 1) reicht vorerst zum Weiterführen des braunfleckigen Platznamens. Prompt bejubelt dies die Nazi-Netzcommunity und legt mit Beschimpfungen gegen Benjamin Ortmeyer nach, die bis zu Morddrohungen reichen und eine Anzeige Ortmeyers gegen die Betreiber der Homepage nach sich zogen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.