Das Geheimnis der China-Schale

Hamburger Museum will die Herkunft einer asiatischen Sammlung aufklären

  • Thomas Morell, epd
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg wird untersucht, woher die Teile einer Asiatika-Sammlung im Bestand des Hauses kommen. Stammen sie aus jüdischem Besitz? Erstmals betrachtet man eine asiatische Sammlung unter diesem Blickwinkel.
Hamburg. Die weiße China-Schale aus Ting-Yao-Porzellan der Sung-Zeit (12. bis 13. Jahrhundert) hat eine wechselvolle Geschichte. Das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe bekam sie von der Hamburger Zigaretten-Unternehmerfamilie Reemtsma geschenkt. Diese wiederum hatte sie während der NS-Zeit 1936 bei der Auktion der Sammlung der Berliner Mäzenin Margarete Oppenheim erworben. Oppenheim entstammte einer jüdischen Familie. Musste sie daher die Schale unter Druck billig verkaufen?

Jüdische Erben?

Ob Kunstwerke wie die Ting-Yao-Schale im Museum für Kunst und Gewerbe verbleiben dürfen oder an die Erben zurückgegeben werden sollten, untersucht derzeit die Hamburger Kunsthistorikerin Silke Reuther. Mit ihrer Arbeit betritt sie in der Bundesrepublik Neuland. Zahlreiche Museen wie die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Hamburger Kunsthalle, das Frankfurter Städel oder die Bayerische Staatsgemäldesammlungen untersuchen zum Teil seit über zehn Jahren die Herkunft ihrer Gemälde mit Hilfe der »Provenienzforschung«. Die Untersuchung einer Asiatika-Sammlung unter diesem Blickwinkel ist dagegen neu.

Angekauft wurde die asiatische Sammlung von Philipp F. Reemtsma in der Zeit von 1934 bis 1940. Die rund 300 Objekte aus Bronze, Keramik und Glas sollten die neue Villa in Hamburg-Othmarschen dekorieren. Nach Reemtsmas Tod 1959 verblieb die Sammlung im Familienbesitz, wurde 1974 an das Museum für Kunst und Gewerbe ausgeliehen und ihm 1996 nach dem Tod von Ehefrau Gertrud Reemtsma übereignet.

Hintergrund der Provenienzforschung ist die 1998 unterzeichnete »Washingtoner Erklärung«. Darin verpflichten sich öffentliche Museen, in ihren Beständen Kunstwerke ausfindig zu machen, die während der NS-Zeit beschlagnahmt oder unter dem Druck der Verfolgung unter Wert verkauft wurden. Aufgabe ist es dann, die Eigentümer zu ermitteln und mit ihnen faire Lösungen zu finden. 44 Staaten haben die Erklärung unterzeichnet, darunter auch Deutschland.

Die Ermittlung der Herkunft einer Vase oder einer Schale ist in der Regel schwieriger als die eines Gemäldes. Auf den Rückseiten der Bilder können Künstler und Kunsthändler Notizen hinterlassen. Dass sich eine angeklebte Notiz an einer chinesischen Schale hält, ist nahezu aussichtslos. Außerdem ist jedes Gemälde ein Unikat. Chinesische Gefäße wurden, selbst wenn sie älter als 2000 Jahre sind, meist in Serie hergestellt. Mit einem Schwarz-Weiß-Foto und einer möglicherweise ungenauen Größenangabe kann ein solches Objekt nicht zweifelsfrei identifiziert werden.

Silke Reuther hat Auktionskataloge gewälzt und Berge von Akten in Berliner Archiven durchforstet. Anwaltsschreiben können ebenso Aufschluss über die Herkunft geben wie Bestandslisten von Kunsthändlern. Hat ein Kunstwerk während der NS-Zeit durch »Haushaltsauflösung« einer jüdischen Familie oder durch Diebstahl den Besitzer gewechselt, ist eine Rekonstruktion ohnehin meist unmöglich.

Vieles wird offen bleiben

Etwa ein Drittel der Asiatika-Sammlung von Reemtsma hat Silke Reuther nach sechs Monaten bearbeitet. Ein Jahr Zeit bleibt ihr noch. Am Ende werden dennoch sehr viele Fragen offen bleiben, sagt sie.

Die weiße Porzellanschale aus der Sung-Zeit zumindest wird auch künftig im Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen sein. Ihre Vorbesitzerin Margarete Oppenheim, deren Ehemann Franz (1852-1929) sein Vermögen unter anderem als Vorstand der IG Farben erwarb, war 1935 im Alter von 78 Jahren eines natürlichen Todes gestorben. In ihrem Testament hatte sie verfügt, dass die Sammlung nach ihrem Tod verkauft werden soll. Der Erlös ging an die Erben. Reuther: »Auch während der Nazi-Zeit hat es ganz normalen Kunsthandel gegeben.«

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