Wie kam Dioxin ins Futter?

Quelle könnte ein Fungizid beim Sojaanbau gewesen sein

Nach und nach wird deutlich, wie es zur Dioxin-Verseuchung mehrerer tausend Tonnen Futtermittel gekommen ist. Ein krimineller Einzelfall oder doch nur die Spitze des Eisbergs?

Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch hat nach eigenen Angaben die Quelle der Dioxin-Verseuchung im aktuellen Futtermittelskandal um den Fetthersteller Harles und Jentzsch entdeckt. Das sogenannte Kongenerenmuster (Ähnlichkeitsmuster) einer Futterfett-Probe aus der zu dem Unternehmen gehörenden Spedition Lübbe weise »mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit« auf Rückstände einer Pentachlorphenol-Verbindung hin, wie sie als Fungizid eingesetzt werde. Solche in Deutschland verbotenen Pflanzenschutzmittel zur Pilzbekämpfung kommen im Sojaanbau in Asien oder Lateinamerika zum Einsatz.

Damit bietet sich auf der Grundlage bisheriger Vermutungen ein geschlossenes Bild. Das jenseits Europas angebaute, kontaminierte Soja wurde zu Öl verarbeitet. Es wurde dann als Rohstoff zur Agrodieselgewinnung im Unternehmen Petrotec in Emden (Niedersachsen) verwendet. Dieses verkaufte das Abfallprodukt technische Mischfettsäure an den niederländischen Händler Olivet, der das Tochterunternehmen Lübbe des Futterfettherstellers Harles und Jentzsch belieferte. Es war aber eindeutig als nur für den Einsatz als Schmiermittel geeignet gekennzeichnet.

Ob es durch Schlamperei oder durch Betrug in die Nahrungskette kam, sollen die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ergeben. Bei den Behörden gibt es aber mittlerweile einen ganz klaren Verdacht: Harles und Jentzsch habe bewusst und systematisch betrogen, in dem man billiges Industriefett unter tierisches und pflanzliches Futterfett gemischt und an Futtermittelhersteller weiterverkauft habe. Zu diesem Zweck sei bei der Spedition Lübbe in Bösel (Niedersachsen) illegal ein nicht angemeldetes Rührwerk betrieben worden. Kontaminiertes Industriefett soll dort so lange mit anderen Fetten gemischt worden sein, bis die Grenzwerte für Dioxine eingehalten wurden. Die ohnehin äußerst seltenen behördlichen Kontrollen fanden nicht bei der Spedition in Bösel, sondern im Stammwerk von Harles und Jentzsch statt, wo zuletzt im Juli 2010 nichts auffällig war. Kein Wunder auch, dass der Futterfetthersteller die Behörden nicht über eine im März 2010 bei einer selbst in Auftrag gegebenen Probe von einem Privatlabor ermittelte Dioxin-Verseuchung informierte.

Jetzt, nach Bekanntwerden des Skandals, sind die Behörden aktiv. Bei 25 von bisher untersuchten 38 neuen Rückstellproben lagen die Dioxin-Werte über dem zulässigen Grenzwert – im schlimmsten Fall knapp 78 Mal so hoch wie erlaubt. Die von Foodwatch veröffentlichte Probe weist sogar eine 164-fache Überschreitung des gesetzlichen Höchstwertes auf.

Harles und Jentzsch verkaufte seine »Futterfette« an 25 Futtermittelhersteller in vier Bundesländern weiter. Die wiederum belieferten Schweine- und Geflügelzüchter in mindestens elf Bundesländern.

Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) sieht kriminelle Energie am Werk und spricht von »schwarzen Schafen«. Verbraucherschützer weisen jedoch auf ein grundsätzliches Problem hin – die gesetzlichen Grenzwerte seien viel zu hoch und schützten mehr die Futtermittelhersteller als die Konsumenten. Die viel zu hohe Dioxin-Belastung der Bevölkerung stamme zum allergrößten Teil aus Futtermitteln.

Tatsächlich gibt es laut Foodwatch diverse Quellen, wie Dioxine, Furane oder dioxinähnliche Polychlorierte Biphenyle (PCB) in Futtermittel gelangen können. In Fette gelangen die Gifte durch belastete Ölpflanzen (auch heimische), aus Fugendichtmassen in Silos oder Hydraulikölen in Ölpressen. Auch die Trocknung von Futtermittelrohstoffen kann zur Kontaminierung führen, wenn chlorhaltige Brennstoffe verwendet werden. Möglich ist diese auch beim Transport, wenn Speditionen nicht nur Futtermittel transportieren oder bei der Reinigung giftige Substanzen verwenden. Und schließlich kann auch der Einsatz belasteter Abfälle aus der Lebensmittelproduktion Dioxine einschleppen.

Übrigens kommt Soja hierzulande erst seit einigen Jahren in großem Stil bei Futtermitteln zum Einsatz (4 Millionen Tonnen jährlich) – in Form von Schrot als Ersatz für das im Zuge der BSE-Krise verbotene Tiermehl.

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