Polens Premier Donald Tusk hebt ab
PO strebt nach absoluter Mehrheit im Sejm
In einem Gespräch mit dem Magazin »Przekroj« kündigte Donald Tusk an, nach den Parlamentswahlen im Herbst noch zwei Legislaturperioden Premier und Chef der Bürgerplattform (PO) bleiben zu wollen und danach als Chef der EU-Kommission anzutreten. Das – so Tusk – meine er durchaus ernst. Alle seine politischen Widersacher lägen doch am Boden, während er nach wie vor mit beiden Beinen fest im Ring stehe.
Die Öffentlichkeit, soweit sie sich in den Medien offenbart, nahm ihrem Regierungschef diesen eigenartige Humor nicht ab. Zwei wichtige Prüfungen seiner Kompetenz – Polens EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2011 und den Wahlkampf um die absolute PO-Mehrheit im Sejm, die er sich wünscht – wird er erst noch bestehen müssen.
Tomasz Lis, Chefredakteur der Wochenschrift »Wprost«, meinte dieser Tage, es sei »äußerst unwahrscheinlich, dass wir in den kommenden 12 Monaten etwas Wichtiges, Kluges und Inspirierendes von unseren Politikern erfahren«. Lis spottete, es bleibe zu hoffen, dass »nichts passiert, was unser schläfriges, kindisches Wohlbefinden stören könnte«. Eine »Befreiung von den Luftblasen unserer Vorsteher auf höchster Ebene« dürfe man allerdings nicht erwarten, denn Wünsche müssten sich schließlich in den Grenzen des Möglichen halten.
Derart vernichtende Worte haben in Polens bürgerlichen Medien Seltenheitswert. In der Tat fragt sich, wie lange man die PO und ihren Chef noch als gute Lösung für Polen betrachten kann, nur weil sie dem Rechtspopulisten Jaroslaw Kaczynski und dessen PiS (Recht und Gerechtigkeit) den Weg zur Rückkehr an die Macht versperrt. Der Mehrheit in Polen ist das bisher noch Grund genug, den Gewinnern der bereits über 20 Jahre andauernden neoliberalen Transformation zu folgen, obwohl sie selbst immer weniger daran glauben, was man ihnen Tag für Tag einbläut: dass es ihnen gut gehe.
Piotr Zuk bezweifelt dies grundsätzlich in der neuesten Ausgabe der linken Wochenschrift »Przeglad«. Er schrieb, eine demoskopisch erhobene Mehrheit des Volkes fühle sich vom »demokratischen, unabhängigen und souveränen Polen« abgestoßen. Der Autor zitiert Daten eine CBOS-Umfrage, wonach sich jetzt doppelt so viele Menschen wie 1989 im Arbeitsmilieu und in ihrer sozialen Umgebung ungut fühlen. Zuk stellt fest, Polen erlebe eine »kleine Stabilisierung in der Krise«. Es sei schon besser gewesen, lautet sein Fazit.
Die Neoliberalen bleiben indes in der Offensive. Leszek Balcerowicz, der »Schockmeister ohne Therapie«, beschimpfte Anfang des Jahres Premier Tusk wegen dessen Versuchs, die Zwangsreform des Rentensystems vor den Wahlen etwas zurückzudrehen. Man könne doch nicht erst die »moderne Altersversorgung« durch Privatversicherungen als großen Sieg des neuen Polens feiern und nun »den Schwanz einziehen, nur weil es Wahlen gibt«.
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