Ölriesen verbinden sich

BP und Rosneft verfolgen mit Aktientausch unterschiedliche Interessen

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Der britische Mineralölmulti BP und der russische Staatskonzern Rosneft haben einen Aktientausch verkündet. Dabei wechselten Pakete im Wert von je acht Milliarden US-Dollar den Besitzer. Gleichzeitig wurde die Gründung eines Joint Ventures bekannt gegeben, das Öl- und Gasvorkommen in der russischen Arktis erschließen und ausbeuten soll.

BP übernimmt 9,53 Prozent der Rosneft-Anteile und wird damit nach dem russischen Staat, der 51 Prozent hält, der größte Aktionär des Ölkonzerns. Dieser funktioniert nur teilweise nach wirtschaftlichen Prinzipien. Mit Rosneft wie auch mit dem Gasriesen Gazprom setzt der Kreml vor allem politische Interessen durch. Und die decken sich nicht zwangsläufig mit denen der Briten.

Dazu kommt, dass Rosneft im Dezember 2004 bei einer umstrittenen Auktion Filetstücke von Michail Chodorkowskis gerichtlich zerschlagenem Ölkonzern Jukos an sich brachte. Westliche Minderheitsaktionäre klagen gegen die Quasi-Verstaatlichung des Unternehmens. Sollte ein von Moskau angefochtenes Urteil des Schiedsgerichts der Handelskammer in Stockholm rechtskräftig werden, wonach Russland einem britischen Konzern Abfindungen in Höhe von 14 Millionen Dollar zu zahlen hat, würde ein Präzedenzfall geschaffen. Schadensersatzforderungen anderer Kläger könnten den russischen Staat bis zu 50 Milliarden Dollar kosten – Kreml und Regierung könnten diese Verpflichtungen dann auf Rosneft abwälzen. Das ohnehin hoch verschuldete Unternehmen hätte dann mehr als das Doppelte dessen zu berappen, was BP die Bekämpfung der Ölpest im Golf von Mexiko kostete.

Hoch riskant ist auch die Öl- und Gasförderung im Schelf der Arktis. Analysten glauben, dass bis zur Erschließung von Lagerstätten in der Kara-See 20 Jahre und mehr vergehen könnten. In der Praxis dürfte dies noch länger dauern, denn das Anzapfen der Öl- und Gasfelder im Eismeer – zumal in der Tiefsee – schlägt mit extrem hohen Kosten zu Buche. Und zumindest für die nächsten 50 Jahre reicht das Öl, das im Persischen Golf sowie in der Kaspi-Region lagert und erheblich kostengünstiger gefördert und transportiert werden kann.

Russland profitiert kurzfristig davon, dass der Marktwert von BP nach der Ölkatastrophe in den USA erheblich gesunken ist; die Anteile waren daher relativ billig zu haben. Fraglich ist jedoch, ob der Deal den erhofften Transfer von Hochtechnologien ermöglicht, der für die russische Ölförderung schon mittelfristig zur Existenzfrage werden könnte. Russland, glaubt Alexei Kokin von der Finanzfirma Uralsib-Kapital, gehe es vor allem um die Erfahrungen von BP mit der Erschließung von Ölfeldern in der Beaufort-See vor Kanada. Diese liegt in etwa auf dem gleichen Breitengrad wie die russische Kara-See, wo 10 Billionen Kubikmeter Gas und 36 Milliarden Barrel Öl vermutet werden. Auf diese strategischen Vorkommen haben bisher nur Rosneft und Gasprom Zugriff.

Die politische Komponente des Deals ist laut Kokin nicht zu übersehen. Russlands Regierung sei sogar bereit, die Spannungen auszublenden, die das Verhältnis zu Großbritannien seit Jahren belasten. Das Abkommen mit BP, meint auch Andrei Piontkowski vom Institut für Systemanalyse der Russischen Akademie der Wissenschaften, biete der Petersburger Riege von Premier Wladimir Putin die Chance, jenes Kapital zu legalisieren, dass diese mit den umstrittenen Methoden bei der Zerschlagung von Jukos erwarben. Das wiederum stärke Putins Position im innerrussischen Machtgerangel.


Lexikon

Fusionen oder Übernahmen werden häufig nicht oder nicht nur durch den Wechsel von Geldsummen vollzogen. Dann wird auf das Mittel des Aktientauschs zurückgegriffen. Im Falle einer Übernahme bietet das aufkaufende Unternehmen den Aktionären des zu schluckenden Unternehmens eigene Aktien in einem bestimmten Verhältnis zu deren Anteilsscheinen an. Bisweilen geht es dabei auch um wechselseitige Kapitalverflechtungen von zwei Unternehmen ohne Übernahmeabsicht. ND

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