Budgetüberschüsse statt Fluthilfen?

Australiens merkwürdige Debatte über die Kosten des Wiederaufbaus in Queensland

  • Michael Lenz
  • Lesedauer: 3 Min.
Noch sind nicht alle Orte und Gegenden in Queensland wieder aus den Fluten aufgetaucht und das Hochwasser hat die südlicher gelegenen Bundesstaaten erreicht. Doch schon beginnen die Bestandsaufnahme der Schäden und der Streit darüber, wer den Wiederaufbau der versunkenen Wirtschaft und Infrastruktur bezahlen soll.

Die Schäden der Jahrhundertflut in Australien sind nach ersten Schätzungen gewaltig. Auf der Endabrechnung könnten umgerechnet etwa 15 Milliarden Euro stehen, unken Experten.

Hoch wird auch der Preis sein, den Australiens Parteien für das Management des Wiederaufbaus von Queensland zahlen müssen. Für Regierungschefin Julia Gillard steht ihre politische Zukunft wie auch die ihrer Labor-Partei auf dem Spiel. Gelingt es ihr, den Wiederaufbau solide und zur Zufriedenheit der Betroffenen in Queensland zu finanzieren, dann kann Gillard, die derzeit eine Minderheitsregierung führt, den nächsten Wahlen gelassen entgegensehen. Oppositionschef Tony Abbott hat noch keinen einzigen substanziellen Vorschlag zum Wiederaufbau vorgelegt. Aber wie die Republikaner in den USA, Abbotts großes Vorbild, nutzt er jede Gelegenheit, gegen den »großen Staat« zu wettern, der die Bürger für unmündig hält und durch immer höhere Steuern ausbeutet. So spricht sich der bekennende Katholik vehement gegen Gillards Vorschlag der Erhebung einer zeitlich befristeten Abgabe zur Finanzierung des Wiederaufbaus von Queensland aus und ist auch gegen die Bezahlung der Kosten aus Steuermitteln ohne Steuererhöhung. Das würde das Ziel eines Budgetüberschusses gefährden, argumentiert Abbott.

Der Staatshaushalt weist wegen der Konjunkturpakte gegen die Wirtschaftskrise der letzten beiden Jahre erstmals seit gut 20 Jahren keinen Überschuss mehr aus. Spätestens zum Haushaltsjahr 2012/13 wieder ein Plus im Etat zu erreichen, war eines der zentralen Versprechen Gillards im Wahlkampf. Aber was hat eine höhere Priorität: ein Haushaltsüberschuss oder die Hilfe für Queensland? Diese Frage treibt derzeit das ganze Land und speziell eine Task Force um, der auch die führenden australischen Unternehmen angehören, die Gillard bei der Entwicklung eines Masterplans für Queensland unterstützen sollen. Heather Ridout, Chefin des Arbeitgeberverbandes Australian Industry Group, sagte: »Niemand in Queensland wird es der Regierung danken, wenn sie ihre Jobs verlieren und ihre Geschäfte schließen müssen, nur wegen eines Haushaltsüberschusses von ein paar Dollar.«

Das sieht offenbar auch die Mehrheit der Australier so: 59 Prozent der Teilnehmer an einer Online-Umfrage beantworteten die Frage: »Soll die Bundesregierung die Rückkehr zu einem Budgetüberschuss verschieben und statt dessen den Schwerpunkt auf den Wiederaufbau von Queensland legen« mit »Ja«.

Queensland steht für 56 Prozent der Kohleexporte Australiens und produziert ein Drittel des in Australien konsumierten Obstes und Gemüses. Große Teile des Bergbaus und der Landwirtschaft sind von den Fluten stark betroffen und dürften für Wochen oder Monate ausfallen. Die Folge sind sinkende Steuereinnahmen und steigende Preise für Obst und Gemüse. In der Folge ist bereits das Konsumentenvertrauen in die wirtschaftliche Zukunft geringer geworden.

Das Vertrauen in Australiens wirtschaftliche Zukunft dürfte Abbott mit seinem einzigen konkreten Vorschlag nicht gestärkt haben: Die Regierung solle das beschlossene Milliardenprogramm zum Ausbau der Breitbandinfrastruktur kippen. So einen »Luxus« könne sich das Land nicht leisten. Gillard gibt sich derweil zuversichtlich, dass sie alles gleichzeitig stemmen kann: Haushaltsüberschuss, Fluthilfe und Infrastrukturausbau.

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