Bildungsrauschen
Missbrauchsdebatte in der »taz«
Als links-liberales Blatt wird nun auch die »taz« vom blinde Fleck der sexuellen Revolution der 68er eingeholt. Am 22.Januar 2011 postete »taz«-Redakteur Christian Füller auf taz.de/1/zukunft/bildung/artikel/1/didi-war-den-frauen-zugetan: »Der Ende der 1970er zu ersten Generation der tazler gehörende Dietrich W. zählt zu den Tätern an der Odenwaldschule. Im Bericht der beiden unabhängigen Gutachterinnen zur Aufklärung, Claudia Burgsmüller und Brigitte Tilmann, werden W. neun betroffene Jungen zugeordnet. Recherchen der taz bestätigen den Verdacht. (...) Die taz wird sich mit dem Fall weiter intensiv befassen. ›Die Verbindungen zwischen Kindesmisshandlern, der deutschen Linken und auch der taz zu der Zeit sind offensichtlich noch nicht ausreichend geklärt‹, sagte der stellvertretende Chefredakteur, Reiner Metzger.‹ 2009, als W. starb, schrieb die »taz« einen empathischen Nachruf (www.taz.de/1/leben/koepfe/artikel/1/der-uneitle-eigensinnige). Der Bericht löste in der »taz«-Leserschaft eine rege Debatte aus.
Meir kritisiert: »Liebe taz-Redaktion, ich finde es ehrlich gesagt journalistisch fragwürdig, dass Ihr den Nachnamen dieses Menschen nicht nennt. Noch zu Gerold Beckers Lebzeiten hat man dessen Namen in Artikeln genannt und über seine Pädophilie geschrieben. Im Fall W. kann zudem jeder Nutzer im Taz-Archiv nachlesen, wie er mit Nachnamen hieß. Also, ich fände es angemessen, wenn auch über den Fall W. in der taz in aller Offenheit gesprochen würde, so wie es auch im Fall Becker getan wurde. Dass sich derzeit noch über den Nachnamen ausgeschwiegen wird, verhöhnt diejenigen, die unter diesem Menschen gelitten haben ein weiteres Mal.« Doch Ndege meint: »Na ja, ich find's gut, dass die taz nicht versucht das unter den Teppich zu kehren.«
Matthias Fechner findet: »Die Geschichte musste doch bekannt gewesen sein!? Die Einsicht und die Offenheit der Redaktion kommen ein wenig zu spät. Solange das eigene, ehemalige Redaktionsmitglied belastet sein könnte, zögert man doch lieber und zeigt stattdessen mit bibberndem Finger auf die Odenwaldschule. Kein feiner Stil, eher peinlich, das vertuscht auch der hastig improvisierte Aufklärungsfuror nicht.«
Am 23. Januar schreibt Gerhart Wiesend: »Ich gratuliere zu Ihrem Mut, dieses heikle Thema aufzugreifen, besonders da ein taz-Mitarbeiter verwickelt war. Leider hat die Grünen-Bewegung in dieser Hinsicht einige Leichen im Keller. Es wird Zeit, dass die mal aufgearbeitet wird und Täter zur Verantwortung gezogen werden, wenigstens moralisch, wenn schon eine erstaunlich kurze Verjährungsfrist eine Strafverfolgung ausschließt. Ich schrieb Emails an führende Grüne, ob sie in der Gründerzeit dieser Partei für die Straffreiheit der Pädophilie gestimmt haben. Ich bekam keine Antworten.
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