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Zehntausende gegen »Husni« Walker

USA: Massenproteste in Wisconsin

  • Max Böhnel, New York
  • Lesedauer: 3 Min.
»Gerechtigkeit für die Mittelschicht«, »Hände weg vom Arbeitsrecht« und »Aufrecht gehen, wie ein Ägypter«. Mit diesen und vielen weiteren Sprechchören und Transparenten legten am Samstag 60 000 Menschen das Stadtzentrum von Madison, der Hauptstadt des US-Bundesstaates Wisconsin, lahm.

Mit dem bekannten Bürgerrechtler Jesse Jackson, der eigens angereist war, sangen sie »We shall overcome« und reckten die Fäuste. An die 10 000 weitere harrten zeitgleich unruhig im riesigen Capitol aus, in dem der Gouverneur und die Gesetzgeber ihren Sitz haben. Eine Gegendemonstration von rechten »Tea Party«-Anhängern, die sich durch die Reihen der Protestierenden bahnten, blieb friedlich.

Der Protest richtete sich sowohl gegen Sozialkürzungen wie auch gegen gewerkschaftsfeindliche Pläne des Republikaner-Gouverneurs Scott Walker, der hier inzwischen auch als »Husni« Walker bezeichnet wird. 2000 waren es noch am vergangenen Montag, als die Proteste begannen. Am Donnerstag fanden sich 30 000 ein. Die Zahl steigt Tag für Tag, der Samstag war ein vorläufiger Höhepunkt. Dabei ist weder das Nachgeben des Gouverneurs noch ein Kompromiss in Sicht.

Der meist skandierte Spruch der Menschenmenge lautet »kill the bill« (weg mit dem Gesetz). Der Entwurf des Gouverneurs sieht das Ende des gewerkschaftlichen Rechts auf Tarifverhandlungen vor. Die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes sollen entmachtet werden. Nur noch über Mindestlöhne solle verhandelt werden, lautet ein Vorschlag des »Tea Party«-Gouverneurs. Aber nicht nur das. Sein Rotstift nimmt den öffentlichen Dienst des Bundesstaates radikal ins Visier. So sollen die Versicherungsbeiträge für Renten- und Gesundheit größtenteils selbst bezahlt werden. In Gefahr ist außerdem vieles, das für die lohnabhängigen Mittelschichten zur Grundausstattung für ein einigermaßen erträgliches Leben gehört: Pensionsansprüche, Urlaubstage oder Krankenversicherung für die Familie. Für viele würde dies Gehaltseinbußen von zehn Prozent bedeuten, was sie sich nicht leisten können. Denn die Wirtschaftskrise ist längst nicht vorbei.

Gouverneur Walker ist ein Republikaner, der durch die Mobilisierungserfolge der ultrarechten »Tea Party« bei der Wahl im vergangenen November ins Amt geschwemmt wurde. Auch in beiden Kammern des Parlaments herrschen rechte Mehrheiten. Da die Demokraten, die in Minderheit sind, das Gesetz bei der Entscheidung im Parlament nicht niederstimmen können, haben sie den letztmöglichen Ausweg gesucht – und sind vor dem Wochenende einfach abgetaucht oder in Anrainerstaaten verschwunden. Die Republikaner im Parlament von Wisconsin verfügen zwar über eine rechnerische Mehrheit, wenn es zur Abstimmung kommt. Aber es fehlt ihnen genau eine Stimme, um es überhaupt dazu kommen zu lassen. Widerspenstige Demokraten haben unterdessen aus ihrem »Exil« über Presseinterviews erkennen lassen, dass sie erst zurückkehren werden, wenn der Gouverneur Bereitschaft zeigt, über einen Kompromiss zu verhandeln.

Die massiven Proteste werden unterdessen in den anderen USA-Bundesstaaten ebenso aufmerksam verfolgt wie von den Gewerkschaftsdachorganisationen, den Wahlkampfbüros potenzieller Präsidentschaftsanwärter und vom Weißen Haus. Vor einigen Tagen stellte sich Präsident Barack Obama vorsichtig, und ohne Brücken nach rechts hin abzubrechen, auf die Seite der Gewerkschaften. Am kollektiven Verhandlungs- und Tarifrecht dürfe nicht gerüttelt werden, sagte er. Aber er verstehe auch, dass die Bundesstaaten angesichts der Krise Kürzungen vornehmen müssten.

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