Mit dem Kuscheln ist erstmal Schluss
CDU in Sachsen-Anhalt warnt vor Rot-Rot
»Nimm mich heute nacht«, stöhnt Petra Zieger in den Saal im Hallenser Hotel Maritim, wo am Samstag Sachsen-Anhalts CDU den heißen Wahlkampf eröffnete. Die Ost-Rockerin schien den passenden Titel gewählt zu haben: Weil Union und ihr Koalitionspartner SPD zuletzt die Fortsetzung der Kooperation in Aussicht stellten, war bereits von »Kuschelwahlkampf« die Rede.
Doch geturtelt wurde an diesem Samstag nur noch in Ziegers Liedern, in denen es hieß: »Lass mich Schnee in deiner Hand sein.« Reiner Haseloff, dem CDU-Spitzenkandidaten, ist die Lust aufs Kuscheln derweil vergangen. Der SPD-Spitzenmann Jens Bullerjahn habe »die Larve vom Gesicht genommen«, warnte Haseloff, der zuletzt mit dem Sozialdemokraten noch demonstrativ in einer Kochshow aufgetreten war. Jetzt sei aber klar, dass es »keinen Automatismus«« für eine weitere Zusammenarbeit gebe. Bullerjahn ziehe »andere Konstellationen ins politische Kalkül, um sich persönlich an die Macht zu bringen«.
Auslöser für diese Verschärfung des Tons sind eine aktuelle Umfrage und die Reaktion der SPD. Laut der Prognose liegt die CDU stabil bei 32 Prozent, die LINKE verliert leicht auf 26 Prozent, die SPD holt auf und kommt auf 23 Prozent. Bei der nächsten Umfrage wolle man die LINKE überholt haben und am Wahltag die CDU; tönte daraufhin Bullerjahn. Dann habe man die Alternative und könne »den Partner wählen, mit dem wir am meisten SPD-Politik umsetzen können«.
Den vermeintlichen Treuebruch nimmt die Union zum Anlass, den Ton deutlich zu verschärfen. Haseloff spricht jetzt von einer »strategischen Wahl«, bei der es sicherzustellen gelte, dass »kein Weg an uns vorbei führt«. Anderenfalls sei man zwar womöglich Wahlsieger, aber fliege dennoch aus der Regierung, weil die SPD mit der LINKEN koaliert. Ohne direkt daran zu erinnern, dürfte Haseloff damit einen Nerv in seiner Partei treffen: Eine ähnliche Situation erlebte diese bereits 1994; die Schmach steckt ihr noch immer in den Knochen. Landeschef Thomas Webel spricht deshalb sogar von einer »Schicksalswahl«.
Die CDU warnt daher vor vermeintlichem »Chaos in der Bildungspolitik«, weil LINKE wie SPD für ein längeres gemeinsames Lernen eintreten, und sie geißelt ein mögliches rot-rotes Bündnis als Investorenschreck mit Folgen für den Arbeitsmarkt. »Die Menschen wissen: Sie haben die rote Laterne nicht mehr«, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel, »Was sie vielleicht nicht wissen: Man kann sie auch schnell wieder erlangen.«
Abzuwarten bleibt, ob die Verschärfung des Tons und auch die von der SPD angekündigte und von der LINKEN ohnehin anvisierte inhaltliche Zuspitzung mehr Bürger für die Wahl interessieren. Die ernüchterndste Zahl der letzten Umfrage lautet schließlich 38 Prozent. So weit könnte die Wahlbeteiligung, die 2006 schon bei mageren 44 Prozent lag, absacken. 38 Prozent seien als Wahlergebnis für die CDU »ein Traum«, sagt der Hallenser Abgeordnete Bernhard Bönisch: »Als Wahlbeteiligung wären sie ein Trauma.«
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