Merkel sieht Guttenbergs Plagiat als Lappalie
Auch Seehofer verteidigt den CSU-Jungstar / LINKEN-Chef Klaus Ernst fordert Rücktritt des Ministers
Berlin (Agenturen/ND). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat angekündigt, dass die Bundesregierung die Affäre um die wohl plagiierte Dissertation von Bundesverteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) auszusitzen versuchen wird. Die Vorwürfe, so Merkel, berührten nicht dessen Befähigung zu seinem Amt. Dieses fülle er »hervorragend« aus, so die Bundeskanzlerin. Sie habe Guttenberg schließlich nicht als wissenschaftlichen Mitarbeiter oder Inhaber eines Doktortitels berufen.
In Guttenbergs Arbeit, die von der Universität in Bayreuth mit der Bestnote bewertet worden war, finden sich auf zahlreichen Seiten lange, von anderen Autoren ungekennzeichnet übernommene Passagen. Die Nutzer einer Internetseite, auf der Hunderte Benutzer die Arbeit nach Plagiaten durchforstet haben, fanden auf jeder zweiten Seite eine verdächtige Stelle. Die Universität will in den kommenden zehn Tagen prüfen, ob sie dem Minister den Titel entzieht. Guttenberg räumt bisher »Fehler« ein und verzichtet vorerst auf das Führen des Titels, bleibt aber bei der Version, er habe die Arbeit selbst angefertigt. Im Raum steht auch der Vorwurf, Guttenberg habe als Bundestagsabgeordneter den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags durch das Bestellen eines rechtswissenschaftlichen Gutachtens für seine private Dissertation missbraucht.
Der prominente Münchner Jurist Peter Landau hält es für unausweichlich, dass Guttenberg den Titel verliert. »Ich kann mir keine andere Reaktion (...) vorstellen als die Entziehung des Doktorgrades«, so der ehemalige Dekan der renommierten Juristischen Fakultät der Münchner Universität – und nach einer akademischen Degradierung sei Guttenberg auch im Amt nicht mehr zu halten.
Klaus Ernst, Vorsitzender der Linkspartei, legt dem Minister nun den Rücktritt nahe, falls sich die Vorwürfe bestätigen. »Die Kanzlerin wäre gut beraten, ihn entsprechend zu beraten.« Habe Guttenberg mit seiner Unterschrift auf der Dissertation gelogen, sei er im Amt nicht mehr tragbar. Auch der Kieler FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki fordert von Merkel, Guttenberg bis zur Aufklärung der Schummelaffäre abzuberufen. Die öffentliche Debatte um das vermeintliche wissenschaftliche Werk des Ministers sei mit der Würde des Amts nicht zu vereinbaren, so Kubicki sinngemäß in der »Leipziger Volkszeitung«.
Auch CSU-Chef Horst Seehofer ist jetzt zur Verteidigung Guttenbergs in die Bütt gestiegen. Er rät dem »Verfassungsjuristen« zum Aussitzen: »Ich habe ihm gesagt, er soll das einfach durchstehen und sauber und korrekt handeln«, so der bayerische Ministerpräsident.
Die CSU wendet sich auch dagegen, Guttenberg zu seinem Umgang mit dem Wissenschaftlichen Dienst zu befragen. »Der Bundestag ist kein Schiedsgericht für Fußnoten«, sagte der Geschäftsführer der Landesgruppe, Stefan Müller, der »Rheinischen Post« vom Dienstag. Das Thema gehöre nicht in den Bundestag.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.