Leipzig sperrt »Stinker« aus
Die sächsische Messestadt hat seit gestern eine Umweltzone. Die Wirksamkeit ist umstritten
Leipzig. Für Fahrzeuge ohne grüne Plakette ist Leipzig ab sofort tabu. Als erste Kommune in den neuen Bundesländern hat die Stadt seit Dienstag eine Umweltzone. Deren Wirksamkeit gilt indessen als umstritten.
In Leipzig gehören rund 60 Prozent des Stadtgebietes zur Sperrzone für »Stinker«. Knapp 600 Hinweisschilder wurden aufgestellt, um Autofahrer aufmerksam zu machen. Ausnahmeregelungen für Fahrzeuge ohne grüne Plakette sind möglich, müssen aber beantragt werden. Bundesweit gibt es inzwischen Umweltzonen in etwa 40 Kommunen. Vorreiter waren 2008 Berlin und Hannover.
Immer wieder wurde in Leipzig der von der EU festgelegte Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft bei Feinstaub überschritten – an bis zu 100 Tagen im Jahr. Erlaubt sind 35. Die Umweltzone ist eine von 48 Maßnahmen im Luftreinhalteplan der Stadt.
40 Euro und ein Punkt
Der Übergang in die neue Ära vollzog sich in der Sachsenmetropole gestern unspektakulär. Der Verkehr rollte wie immer über die Straßen. Ralf Henrich aus dem Saalekreis in Sachsen-Anhalt etwa ließ sich seinen Besuch in der Messestadt nicht verderben. »Ich habe die grüne Plakette schon länger am Auto durch Fahrten in andere Städte mit Umweltzone«, sagte er. Ob die Zone tatsächlich etwas bewirke, müsse man abwarten. Für das Lieferfahrzeug eines Floristen im Zentrum reichte es allerdings nur zur roten Plakette, mit der er in Leipzig seit diesem Dienstag nicht mehr fahren darf – ganz zum Ärger des Geschäftsmannes. »Ich warte noch auf eine Ausnahmegenehmigung, damit ich das Fahrzeug weiter nutzen kann«, sagte er. Eine Umrüstung – rund 10 000 Euro teuer – könne er sich nicht leisten. »Wenn ich die Ausnahmegenehmigung nicht erhalte, kann ich hier zu machen, denn das Geld für ein neues Auto ziehe ich nicht mal eben aus der Hosentasche.«
Wer ohne grüne Plakette erwischt wird, muss 40 Euro zahlen und bekommt einen Punkt in Flensburg. Kontrollen gibt es laut Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal (LINKE) »im laufenden Betrieb«, so wenn die Politessen Parkscheine kontrollieren. Mehr Personal wurde nicht eingestellt.
IHK will Ausstiegsklausel
Nach Meinung von Rosenthal gibt es keine Alternative, trotz mancher Härten: »Natürlich haben die Gewerbetreibenden einen größeren Rucksack aufgesetzt bekommen.« Einbußen für die Wirtschaft fürchten IHK und Handwerkskammer, die die Stadt zu Augenmaß bei Anträgen auf Ausnahmeregelungen aufforderten. Die IHK will zudem auch genau den Nutzen der Umweltzone beobachten und verlangt eine Ausstiegsklausel. Die FDP im Sächsischen Landtag plädiert für einen »Kassensturz« nach einem Jahr und Abschaffung, falls der erhoffte Nutzen ausbleibt.
Ob die Einrichtung von Umweltzonen die Luft in den Innenstädten deutlich sauberer macht, ist noch nicht endgültig erwiesen. Das Umweltbundesamt warnt davor, kurzfristige Erfolge zu erwarten, ist aber vom langfristigen Nutzen überzeugt. Voraussetzung: So viele Fahrzeuge mit grünen Plakette, wie nur irgend möglich. Das Niedersächsische Umweltministerium ist indessen enttäuscht, weil die Schadstoffbelastung in Hannover nicht in dem erhofften Maß zurückging.
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