Wird die Flugverbotszone herbeigeredet?

Die Nachrichten aus dem Bürgerkriegsland bieten Argumente für ein Ja und auch für ein Nein

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Was tun in Libyen? Militärisch eingreifen? Falls ja, wie? Reicht eine Flugverbotszone oder müssen US-Marines landen? Selbst wenn man das Völkerrecht außer acht lässt – auf welcher Basis kann man entscheiden?
Geheime Evakuierungsaktion »Pegasus« vergangene Woche in Libyen. Das Handy-Foto stammt von einem beteiligten deutschen Soldaten.
Geheime Evakuierungsaktion »Pegasus« vergangene Woche in Libyen. Das Handy-Foto stammt von einem beteiligten deutschen Soldaten.

Jürgen Chrobog – viele halten den Pensionär für einen von Deutschlands letzten Diplomaten – sagt: »Es muss eingegriffen werden!« Wenn es dafür kein UNO-Mandat gibt, müsse ein NATO-Beschluss her. Zur Not reiche eine Vereinbarung mit der libyschen Opposition. Walther Stützle – viele halten den Wissenschaftler für einen der umsichtigsten Ex-Verteidigungsstaatssekretäre – lehnt Militärinterventionen ab. Hilfe könne nur die EU leisten, indem sie sich um Flüchtlinge kümmert.

So wie in Deutschland – das sich vermutlich nicht direkt an einer gerade durchgeplanten militärischen Intervention gegen Gaddafi beteiligen würde – sind die Ansichten auch in Großbritannien und den USA – zwei Staaten, die mit Sicherheit Soldaten losschicken würden – gespalten. Das liegt unter anderem daran, dass die Informationen über die Situation in Libyen nicht verlässlich sind. Kein Zweifel, dass man die Verlautbarungen der Familie Gaddafi nicht einmal indirekt nutzen kann, weil der Clan die Übersicht total verloren hat.

Doch auch von Seiten der in ihren befreiten östlichen Gebieten keineswegs geeinten Opposition kommt überwiegend Propaganda, deren Inhalt bereitwillig von eingesickerten Korrespondenten – mangels eigener Erkenntnisse – als Nachrichten kolportiert wird.

Und dann verteilen auch noch andere Dienste »Top-News«. Viele implizieren eine Flugverbotszone als absolutes Muss, um das viel zu lange andauernde Patt der Kräfte zu beenden und Gaddafi in Tripolis endgültig zu stürzen. Zwei nach Malta geflohene libysche namen- und wortlos gebliebene Piloten sollten bezeugen, dass der Diktator Völkermord betreibe, indem er sein Volk bombardieren lässt. Das ist ebenso möglich wie verbrecherisch. Nur gut, dass die beiden vorgestellten Mirage-Maschinen zu solchen Angriffen nicht taugen. Als Ente entpuppte sich die Flucht zweier libyscher Koni-Fregatten. Das »Beweisfoto« aus La Valetta stammte vom Flottenbesuch 2008.

Ähnlich ist das mit den Berichten über Söldner, die Libyens Noch-Staatschef rekrutiert. Neuerdings sind sogar Piloten aus ehemaligen Sowjetrepubliken darunter. Heißt es. Falls das stimmt, könnte das die Errichtung einer Flugverbotszone erschweren. In jedem Fall müsste die libysche Luftverteidigung am Boden ausgeschaltet werden. Doch wie ist deren Zustand? Falls ein entsprechender Befehl ergeht, bedarf es laut General James Mattis, Chef des für die Region zuständigen Zentralkommandos, »einer Reihe von Luftschlägen«. US-Generalstabschef Mike Mullen sieht sogar die Notwendigkeit einer »komplexen militärischen Operation«. Ölquellen und Pipelines sind sensibel und Kollateralschäden würden nicht ausbleiben. Chrobog könnte eher damit leben als mit möglichen Massakern. Die arabische Welt auch? Und wäre ein so von außen erkämpfter Sieg ein guter Start für ein demokratisches Libyen?

Pragmatischer geht US-Verteidigungsminister Robert Gates zu Werke. Erstens, weil er sparen muss. Und zweitens, weil die US-Streitkräfte mit den Kriegen in Afghanistan und Irak »am Limit« sind. Bei einer Grundsatzrede vor West-Point-Kadetten warnte er jüngst vehement vor jedem Einsatz von US-Bodentruppen: »Jeder künftige Verteidigungsminister, der dem Präsidenten zu einer große Bodenoperation in Asien, Nahost oder Afrika rät, sollte seinen Kopf untersuchen lassen.«

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