Transport ist das Nadelöhr
Die Versorgung der Flüchtlinge klappt noch
Ein Ende ist nicht in Sicht. Derzeit überqueren über 1000 Menschen pro Stunde die Grenze nach Tunesien. In Choucha, sieben Kilometer vom Grenzposten Ras Dschedir entfernt, stehen bereits hunderte weiße Zelte der Vereinten Nationen. Die Lage sei noch einigermaßen unter Kontrolle, sagte der tunesische Rettungsarzt Samir Abdelmoumen, der in dem Lager im Einsatz ist, gegenüber AFP. »Aber wir sind nicht auf 10 000 oder 15 000 weitere Flüchtlinge vorbereitet.« Die Menschen wollen indes weg, so schnell wie möglich. Hunderte warten am Straßenrand auf Busse, die sie zum Flughafen von Djerba oder zum Hafen von Zarzis bringen sollen. Transportkapazitäten – ob zu Land, zu Luft oder zu Wasser – sind derweil rar.
Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat deshalb die Staaten der Welt zur Entsendung hunderter Flugzeuge zur Rettung von Flüchtlingen an der tunesischen Grenze aufgerufen. »Der Transport ist das Nadelöhr«, so Stefan Telöken gegenüber dem ND. Täglich würden zwar 3000 bis 5000 Flüchtlinge, zumeist Arbeitsmigranten aus Tunesien oder Ägypten, die Durchgangslager im Grenzgebiet verlassen können, doch bei bis zu 15 000 Neuankömmlingen pro Tag sei das unzureichend, so der Pressesprecher der deutschen Abteilung des UNHCR. Telöken sieht die reichen Staaten in der Pflicht, nach der quasi abgeschlossenen Evakuierung der eigenen Staatsbürger nun Transportkapazitäten zur Evakuierung der verbleibenden und neu eintreffenden Flüchtlinge bereitzustellen und begrüßt, dass die Bundesregierung 6000 in Tunesien gestrandete Flüchtlinge aus Libyen mit Schiffen und Flugzeugen in ihre Heimatländer bringen will.
Die Mitgliedsorganisationen des Bündnisses Aktion Deutschland, eines Zusammenschlusses verschiedener Hilfsorganisationen, beobachten noch die Lage. Die Johanniter-Unfall-Hilfe schickte am Donnerstag ein vierköpfiges Erkundungsteam nach Tunesien, so Sprecher Patrick Schultheis gegenüber dem Neuen Deutschland. Im Team befinde sich ein Arzt, der eine Einschätzung des medizinischen Bedarfs vornehmen soll. Eine Entscheidung über einen Hilfseinsatz werde erst nach der Rückkehr des Teams getroffen, so Schultheis. Die Katastrophe drohe für den Fall, dass die Flüchtlinge nicht weiter transportiert werden können. Der Engpass sei der Transport. Hingegen stehe die Sicherheitslage auf tunesischer Seite einem Hilfseinsatz nicht entgegen, sagte Schultheis. Libyen komme aus Sicherheitsgründen aktuell nicht infrage. Dort bereits tätig sei jedoch Islamic Relief Deutschland, ein Gastmitglied bei Aktion Deutschland Hilft. Islamic Relief hatte am Sonntag einen Hilfskonvoi auf den Weg gebracht. Von Islamic Relief wurden bereits 6000 Menschen mit Medikamenten, Wasser und Lebensmitteln versorgt, die Organisation ist ebenfalls in beiden Grenzregionen und in Bengasi in Libyen aktiv.
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