Wie bringt man Flüchtlinge heim?

Deutsche Kriegsschiffe nicht einsatzbereit

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Lage im Bürgerkriegsland Libyen ist höchst verworren. Auch jenseits der Grenzen scheinen Realität und Berichterstattung oft widersprüchlich.

Täglich kommen angeblich mehr als 10 000 Flüchtlinge aus dem umkämpften Land nach Tunesien. Andere Meldungen behaupten, Gaddafis Ordnungskräfte hätten die Grenze abgeriegelt. Wie auch immer – Experten vor Ort schätzen, dass bereits mehr als 180 000 Menschen Libyen über die Landgrenze verlassen haben. UNO und Rotes Kreuz warnen vor einer humanitären Katastrophe und haben um Unterstützung gebeten.

Humanitäre Katastrophe? »Wir haben es hier derzeit nicht so sehr mit einer humanitären Krise zu tun als vielmehr mit einer logistischen Krise«, sagte der britische Entwicklungsminister Andrew Mitchell gestern. Er war – begleitet von einem BBC-Berichterstatter – unter anderem im Durchgangslager Ras Ajdir und sieht nun die Rettung der Flüchtlinge in Tunesien auf einem guten Weg.

Rettung bedeutet zu einem Gutteil Weiterleitung der Flüchtlinge. Relativ einfach scheint das im Fall der ägyptischen Gastarbeiter. Sollte man meinen. Am Donnerstag wurde von Agenturen berichtet, der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) habe am Rande des Visegrad-Treffens in der Slowakei behauptet, drei deutsche Marineschiffe würden 4000 Flüchtlinge aus Tunesien in ihr Heimatland Ägypten schaffen. Bei der Deutschen Marine reagierte man entsetzt, denn die beiden Fregatten »Brandenburg« und »Rheinland-Pfalz« sowie der Einsatzgruppenversorgen »Berlin« sind dazu gar nicht in der Lage. Die Stimmung in den Marinestäben beruhigte sich, als man erfuhr, dass Deutschland nur einen Beitrag dazu leisten wolle, »dass die 4000 Flüchtlinge mit deutscher Unterstützung« nach Ägypten gebracht werden. Realistisch rechnet das deutsche Militär mit rund 500 »Rückführern«.

Wozu man die allerdings auf Schiffe verfrachten soll, die es bis gestern Abend noch nicht geschafft haben, vor Ort zu sein, ist Experten unklar. Sucht man eine Rechtfertigung dafür, dass man Kriegsschiffe vor Libyens Küste geschickt hat? Mit denen müsste man rund 1000 Seemeilen bis nach Alexandria fahren. Bei einer Geschwindigkeit von maximal 15 Knoten bedeutet das, die Menschen wären über 60 Stunden auf Schiffen unterwegs, die für den Personentransfer nicht geschaffen sind. Es gibt nicht genügend Unterbringungsräume, zu wenig sanitäre und vor allem zu wenig Rettungseinrichtungen.

Die Flughäfen in Tunis und Kairo sind – siehe jüngste Fluchtbewegungen – enorm belastbar. Mit drei Airbus A 330 der »Egypt Air« ließe sich das Transportproblem nach Ägypten an einem Tag erledigen.

Doch dann beginnen erst die Probleme. Es sind soziale, nicht umsonst haben die Menschen sich einen Job im reichen Nachbarland gesucht. Noch komplizierter wird die Heimkehr für jene Gastarbeiter, die aus Asien kommen. In Libyen arbeiteten schätzungsweise 50 000 Bangladescher. Angehörige daheim forderten mit einer Protestaktion in Dhaka die Regierung auf, die Landsleute heimzuholen. Zumindest dabei könnte die EU helfen. Zur Zeit sind in Deutschland keine Schulferien, die Charterflieger haben also freie Kapazitäten.

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