Enttäuschung bei Lehrern
Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst gleicht Teuerungsrate aus / Lehrkräfte weiter ohne einheitlichen Tarif
Vor einer Woche hatte der ver.di-Chef Frank Bsirske für die Öffentlichen Beschäftigten das »Ende der Bescheidenheit« angekündigt. Überraschend schnell ist dann am Donnerstagabend doch ein eher bescheidenes Ergebnis herausgekommen: Krankenschwestern, Lehrer, Verwaltungsangestellte erhalten dieses Jahr durchschnittlich 2,3 Prozent mehr Lohn, hat ver.di errechnet. Im nächsten Jahr sollen sie 2,55 Prozent mehr im Geldbeutel haben. Für Bsirske ein »sehr ordentliches Ergebnis«. Bei einer absehbaren Teuerungsrate von zwei Prozent sichere es die Reallöhne. Das war in den Tarifrunden der vergangenen Jahre nicht gelungen.
Die Länder sind froh, dass sie glimpflich davonkommen. Im Arbeitgeberverband, der Tarifgemeinschaft der Länder, geben die Finanzminister den Ton an. Er sei »sehr zufrieden«, erklärte der Verhandlungsführer aus Niedersachsen Hartmut Möllring (CDU). Sein NRW-Finanzkollege Walter-Borjans (SPD) lobte den Abschluss als »fairen Kompromiss zwischen der angespannten Haushaltslage und einer Entlohnung, die den öffentlichen Dienst attraktiv hält«.
Die Gewerkschaften fordern nun, dass die Länder das Ergebnis auch für ihre Beamten übernehmen. Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt kündigten dies bereits an.
Die Gewerkschaftsmitglieder müssen dem Abschluss noch zustimmen. Die Begeisterung hält sich an der Basis offenbar in Grenzen. »Ein bisschen wenig«, »eigentlich lächerlich« hieß es auf ND-Nachfrage bei hessischen ver.di-Mitgliedern, die sich in der vergangenen Woche an Warnstreiks beteiligt hatten.
Besonderer Frust herrscht bei der GEW, an deren Aktionen sich in den vergangenen Tagen bundesweit über 45 000 Lehrer beteiligt hatten. Der Lehrergewerkschaft ist es nicht gelungen, gleichen Lohn für gleiche Arbeit für die bundesweit rund 200 000 angestellten Lehrkräfte durchzusetzen. Die Verärgerung der Mitglieder über die »Blockadehaltung« der Länder sei »extrem hoch«, sagte die GEW-Verhandlungsführerin Ilse Schaad gegenüber ND. Bislang legt jedes Bundesland selbst fest, in welche Gehaltsgruppe angestellte Lehrer einsortiert werden. Dadurch gibt es nicht nur zwischen den Ländern deutliche Unterschiede, sondern auch zwischen beamteten und angestellten Lehrern. Die Gewerkschaften wollten erreichen, dass dies künftig per Tarifvertrag einheitlich geregelt wird, scheiterten aber am Widerstand der öffentlichen Arbeitgeber. Selbst weitgehende Zugeständnisse seien einhellig abgelehnt worden, kritisierte Schaad. So wären die Gewerkschaften etwa bereit gewesen, bei den Lehrern auf die Einmalzahlung zu verzichten. In Nordrhein-Westfalen sind inzwischen 20 Prozent der Lehrer nur noch Angestellte und nicht Beamte. In Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen sind es sogar 100 Prozent. Die GEW darf den Tarifvertrag, der bis Dezember 2012 laufen soll, allerdings vorzeitig zum Jahresende kündigen.
Die lange Laufzeit von 24 Monaten ist ungünstig für die Gewerkschaftsseite, denn die Tarifverträge für die Beschäftigten von Bund und Kommunen enden schon im Februar. Die versetzten Laufzeiten verhindern gemeinsame Streikaktionen.
Nicht mit am Tisch saßen Hessen und Berlin, die aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten sind. Auf Berlin wirkt sich die Tarifvereinbarung dennoch aus. Zum 1. Oktober 2011 würden dort die 50 000 Beschäftigten des öffentlichen Dienstes 97 Prozent der jetzt vereinbarten Beträge erhalten, teilte ver.di mit. Dies sehe der Stufenplan vor, mit dem Berlin bis 2012 schrittweise in die Tarifgemeinschaft der Länder zurückkehren will.
Der Tarifabschluss
GEHALT: Die Beschäftigten erhalten 2011 2,3 Prozent und 2012 2,55 Prozent mehr Lohn. Dies setzt sich zusammen aus einer Einmalzahlung von 360 Euro und einer lineare Erhöhung von 1,5 Prozent zum 1. April. 2012 steigen die Gehälter linear um weitere 1,9 Prozent plus einem monatlichen Sockelbetrag von 17 Euro.
ZULAGEN: Für Mitarbeiter der Straßenmeistereien und des Küstenschutzes wird die Zulage für besonders schwere Arbeit ab 2012 um 25 Euro monatlich erhöht.
AUFSTIEGE: Beschäftigte, die nach dem alten Tarifrecht BAT bis zu sechs Jahre hätten warten müssen, um eine höhere Vergütungsgruppe zu erreichen, bekommen ab 2012 nach einer Neueinstellung oder Versetzung vom ersten Tag an das höhere Gehalt.
BEAMTE: Die Gewerkschaften fordern, das Ergebnis auf die rund 1,24 Millionen Beamten zu übertragen. Darüber entscheiden die Länder.
KOSTEN: Laut Arbeitgebern kostet der Tarifabschluss 2011 mehr als 600 Millionen Euro und rund 1,2 Milliarden Euro für 2012. Hinzu kämen Kosten für die Beamten.
LAUFZEIT: 24 Monate – bis zum 31. Dezember 2012.
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