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Die Tochter des Patriarchen
NAJAT EL HACHMI gelang ein sensationelles Buch
Mimoun wird von seiner Mutter vergöttert und von seinen Schwestern gehätschelt, denn Mimoun ist das Kleinod seiner Familie: Ein Sohn. Er hat immer wieder wohlinszenierte Wutanfälle, er schlägt gern, mit Vorliebe Frauen, und eigentlich ist er ein Blender, und die Blendung seiner Umgebung gelingt ihm vorzüglich. Für ihn, der in der marokkanischen Kabylei aufwächst, »waren Frauen ..., die ihre Ehre nicht bewahrten, nichts weiter als das: Höhlen in die man eindrang, um seinen Druck abzulassen«. Und was Ehre ist, das bestimmt er. So schildert Najat El Hachmi die zentrale Figur ihres Romans »Der letzte Patriarch«.
Es ist ein fulminantes Buch: Es porträtiert den Patriarchen, diesen »Elvis aus der marokkanischen Provinz«, mit einer nüchternen, distanzierten Sprache, die zuweilen, mitten in brutalsten Situationen, mit einem leisen Augenzwinkern arbeitet. Zu vermuten ist, dass die gewählte Distanz den Schrecken, die Schmerzen lindern soll, jenes Leid, das die Autorin während des Schreibens empfunden haben muss, und auch das Mitleid, das den Leser befällt, wenn er mit all den Tritten, den Fausthieben und der Verachtung vertraut gemacht wird, die fast alle Frauen in Mimouns Umgebung erfahren müssen. Es ist nur das seltene, aufflackernde Augenzwinkern, das Rettung verspricht: Lass ihn nur, das Arschloch von einem Schläger. Am Ende, verspricht der Text, am Ende sehen wir Mimoun am Boden, versprochen!
Gäbe es dieses Versprechen nicht, müsste man das Buch vor Wut aus der Hand legen: Wenn Mimoun, der der Arbeit wegen nach Spanien ging und jetzt die »Christinnen« zur Beute macht (möglichst geschieden und verunsichert, diese Huren), wenn er seine nächsten Opfer findet, wenn er seine »gezähmte« Frau nachkommen lässt und wenn er beginnt, seine Tochter auch zu zähmen. Denn »Töchter sind ihren Vätern treuer, sie hören mehr auf dich und lieben dich von ganzem Herzen«. Was in der Übersetzung der Mimounschen Phrase nichts anderes heißt als: Sie sind Opfer seiner Gewalt, Dienerinnen seiner Bequemlichkeit, Vorzeigeobjekte seiner Macht.
Najat El Hachmi, die ihr Buch auf Katalanisch geschrieben hat, wurde in Marokko geboren und ist in Spanien aufgewachsen. Auch wenn ihre Romanfigur selbstständig und nicht das Alter ego der Autorin sein dürfte, ist sie als Kind marokkanischer Einwanderer mit dem Milieu von Vater und Tochter eng vertraut. Auf der Tochter des Patriarchen lastet alle Hoffnung. Sie wird sich über das Lesen und das Schreiben befreien. Sie wird uns Einblicke in die Sehweisen der Arbeitsemigranten geben und Sätze wie diesen, der auf der Reise in das fremde Spanien entstanden ist: »Vom Bus aus schienen die Menschen kleiner zu sein, wie sie so über die Gehwege neben jenen riesenhaften Zementblöcken eilten, ohne Furcht, diese könnten auf sie herunterstürzen.«
Die Tochter des »Patriarchen« hat keinen Namen. Vielleicht, weil sie für viele Töchter stehen soll, Töchter, die ihren Aufstand, ihre Emanzipation noch vor sich haben. – Ein sensationelles Buch.
Najat El Hachmi: Der letzte Patriarch. Roman. A.d. Katalan. v. Isabel Müller. Wagenbach. 352 S., geb., 22,90 €.
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