Investoren aus der Wüste

DIE SCHEICH-AG

  • Jörg Roesler
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer aufmerksam die Wirtschaftsnachrichten verfolgt, dem ist es längst bekannt: Das ökonomische Schwergewicht der Welt ist dabei, sich nach Osten zu verlagern. China ist zum großen ökonomischen Herausforderer des Westens geworden und Indien hat sich zu einer Wirtschaftsmacht von Gewicht gemausert. Michael Backfisch ist der Meinung, dass zu den im Weltmaßstab zu beachtenden aufstrebenden Ökonomien unbedingt auch die Länder des Golf-Kooperationsrates zu zählen sind: Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar, Kuwait, Bahrain und Oman.

Der Journalist, der vor allem durch informelle Kontakte mit den am Golf Mächtigen zu wertvollen Informationen gelangte, will mit einem Klischee aufräumen. Die arabischen Staaten seien längst nicht mehr nur Erdöl- und Erdgaslieferanten. Sie haben in den 70er Jahren, als OPEC-Milliarden erstmals reichlich flossen, begonnen, Industrien aufzubauen; zunächst vor allem petrochemische Werke. Heute bemühe man sich um die Diversifizierung der nationalen Wirtschaften. Die »Scheichs« investieren inzwischen gigantische Summen in Solarkraftwerke, Fabriken zur Herstellung von Computerchips und von Flugzeugteilen sowie in Aluminiumschmelzen. Ebenso bemerkenswert seien die Aktivitäten der Golfstaaten auf den Gebieten Tourismus, Sport und Kultur. Städte wurden aus dem Wüstensand gestampft, anspruchsvolle Wohnquartiere entstanden auf künstlichen Inseln im Küstenmeer. Bahrain ist der Sportwelt dank Formel 1 ein Begriff. In Dubai steht das mit 828 Meter höchste Gebäude der Welt. Im Finanzzentrum der Stadt haben sich die wichtigsten internationalen Banken und Versicherungen niedergelassen.

Im März 2009 kaufte die staatliche Investmentgesellschaft aus Abu Dhabi sich bei Daimler ein. Der Staatsfonds von Katar erwarb zehn Prozent der Stammaktien von Porsche und beteiligt sich mit 17 Prozent an Volkswagen. Eine auf die Herstellung von Computerchips spezialisierte staatliche Investmentgesellschaft von Abu Dhabi machte im Juni 2010 für die Erweiterung der Dresdner Chipfabrik 1,3 Milliarden Euro locker. Seit 2009 werden im thüringischen Ichtershausen mit Geldern vom Golf Dünnschichtmodule für die Solartechnik produziert.

Hat denn, so fragt sich der interessierte Leser, die – inzwischen als überwunden geltende – Weltfinanz- und Wirtschaftskrise nicht auch im Nahen Osten zugeschlagen? Der Rezensent erinnert sich, dass Ende November 2009 die Behörden des Emirats Dubai um einen Teilzahlungsaufschub für den mit insgesamt 59 Milliarden Dollar Schulden belasteten Staatskonzern Dubai World baten. Backfisch meint, es habe am Golf trotz spekulativer Fieberschübe keine Kernschmelze der Wirtschaftsstandorte stattgefunden. Und er gibt sich optimistisch bezüglich der Überwindung von Krisenfolgen.

Die ethnischen und religiösen Spannungen in Bahrain, die im August 2010 und jetzt erneut zu öffentlichen Protesten geführt haben, sieht der Autor nicht als dramatisch an. In Saudi-Arabien, dem mit 28 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Land am Golf, sind 50 Prozent der Jugendlichen arbeitslos. »Wir sind dazu verdammt, neue Jobs zu schaffen«, zitiert Backfisch einen Regierungsvertreter in Riad.

Das Buch ist vor Ausbruch des »Arabischen Frühlings« verfasst worden und doch aktuell. Ein sehr informativer Band, nicht nur für Manager.

Michael Backfisch: Die Scheich-AG. Wie unsere Unternehmen vom Wirtschaftswunder am Golf profitieren. Campus. 254 S., geb., 22 €.

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