Einssein

ANGELA KRAUSS übt sich in Magie

  • Irmtraud Gutschke
  • Lesedauer: 3 Min.

Es geht um das Glück. Eigentlich, worum sonst soll es gehen? Aus dem Geschehen, über dem das Buch schwebt, hätte eine andere Autorin, ein anderer Autor eine herzzerreißende Liebesgeschichte gemacht, immer vom Gedanken bedroht: Ach, wie banal! Aber banal kann es in der Prosa von Angela Krauß niemals werden, was immer sie auch erzählen mag. Da schließt sich dieses Buch an frühere an.

Vielleicht sieht man deutlicher den Bodensatz von Traurigkeit, durch den sich die Ich-Erzählerin nicht hindurcharbeitet, nein, über den sie sich erhebt mit einer tänzerischen Leichtigkeit, die seit jeher an der Autorin Angela Krauß zu bewundern war. Wer sich darauf einlässt, wird spüren, was Sprache doch für ein Halt ist, wenn die Erschütterungen, unter denen das elfenbeinfarbene Haus in Leipzig immer mal wieder erbebt, eigentlich das ganze »Weltgebäude« meinen. Und das will zusammengehalten, »errichtet werden. Man muß ja irgendwo wohnen.« So handelt das Buch von der Tätigkeit, das Innen und Außen in Harmonie zu bringen – von innen her natürlich, wie sonst.

Sie weiß wie es geht, »daß ich mich für eine Weile in die verwandle, als die ich gedacht bin«. Ein Mann kommt ins Spiel, das war zu erwarten. Karel: ein Denker und Tüftler und Planer, der offensichtlich aber gut kochen und küssen kann. In den USA, später in Japan, arbeitet er an der »Weltformel«. Wo soll das hinführen? Da sind in den Gedanken der Ich-Erzählerin mehrere »Weltgipfeltreffen« einzuberufen, da kommt das Dorf wieder hervor, aus dem die Mutter stammt – Straßengräbchen. Und die Mutter selbst bringt sich in Erinnerung, wie sie in leuchtenden Kleidern jünger und jünger wurde. Stadtbaudirektor a.D. Dr. Roch, der für das Kind Millimeterpapier aus einer Schatulle nahm, um ihm das Universum und das Nichts zu erklären, worin ein Inder mit goldenem Turban einen Ehrenplatz hatte. In der Gegenwart gibt es einen blau leuchtenden Falter namens Arcus, der leider tot ist, einen rätselhaften Nachbarn und Madame Fleur, die einst als Botschaftergattin jede Menge Kleider und Stilettos gesammelt hat. Fleur sieht und versteht: »Es hilft sehr, sich etwas aufzubauen, so ein kleines Theater wie dieses, dort kann es sich dann austoben, und man hat es immer im Blick. – Was denn? – Das Innenleben, lächelte Fleur.«

Selbsterhalt: Einige Übungen in Magie sind dafür schon vonnöten. »Ich stamme aus dem letzten Jahrhundert« – das klingt wie ein Leitmotiv im Text. »Ich beherrsche das Begreifen und umfassende Verstehen; ich verstehe mich auf die leibliche Gegenwart und ihre Emanationen; ich erröte im Nu.« Verletzlichkeit: das Ich in einer sich immer schneller wandelnden Welt.

Ja, Angela Krauß hat nicht nur eine Liebesgeschichte, sondern ein Buch über die ganze Welt geschrieben, über das, was irritiert, wenn jemand schon länger am Leben ist. Und sie braucht uns dafür nichts zu erklären, sie braucht nur auf ihre Art durch die Sprache zu schweben. Sie hat ein Buch darüber geschrieben, wie man sich behaupten kann, wie man das bewahrt, was so angreifbar ist: den Glauben, dass das Leben – dennoch – »etwas tief und irisierend Leuchtendes sei«. Wie man eins mit sich bleibt, auch wenn man immer wieder erlebt, wie etwas auseinanderfällt.

Angela Krauß: Im schönsten Fall. Suhrkamp Verlag. 99 S., geb., 14,90 €.

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