Mit Öko-Landwirtschaft gegen Hunger
»Bericht zur Lage der Welt 2011« fordert Neuausrichtung des globalen Agrarsektors
Der Fokus des Buches, das vom US-amerikanischen Umweltinstitut Worldwatch in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung und dem gemeinnützigen Verein Germanwatch herausgegeben wurde, liegt in diesem Jahr auf Subsahara-Afrika. Denn keine andere Region auf der Welt ist derzeit so stark von Armut und Hunger betroffen. Und die Perspektiven sehen weiterhin düster aus. Die Bevölkerung wächst stetig an und Landbewohner wandern millionenfach in die Städte ab. Durch Folgen des Klimawandels wie etwa Dürren und Überschwemmungen kommt es immer wieder zu Ernteausfällen. Als Folge steigen die Lebensmittelpreise. Zucker verteuerte sich im zweiten Halbjahr 2010 um 77 Prozent, der Getreidepreis um durchschnittlich 57 Prozent. Auch die Preise für Fleisch und Gemüse stiegen deutlich.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, zeigt der Bericht neue Strategien in der Landwirtschaft und der Wirtschaftspolitik auf. Vor allem Kleinbauern in Entwicklungsländern müssten gestärkt werden, sagte Danielle Nierenberg, Agrarexpertin des Worldwatch Institutes und Hauptautorin des Buches. Diese Gruppe macht nach Angaben der Organisation Foodwatch mehr als zwei Drittel der Menschen aus, die nicht genug zum Essen haben. »Viele Regierungen setzen auf die Steigerung der Nahrungsmittelproduktion durch Hochertragssorten oder Düngemittel. Für die meisten ärmeren Landwirte sind diese jedoch zu teuer«, kritisierte Nierenberg. Als mögliche Lösung nannte Judi Wakhungu vom kenianischen Forschungsinstitut »African Centre for Technology Studies« mehr nationale und ausländische Investitionen für die zahlreichen Kleinbauern unter anderem in Subsahara-Afrika. Um Hunger und Armut wirksam bekämpfen zu können, bräuchten diese technische Geräte und Wissen über die ökologische Agrarwirtschaft. »Durch Kombinationen von Elementen der Land- und Forstwirtschaft könnten auf weniger fruchtbaren Böden Erosion vermieden, die Fruchtbarkeit verbessert und der Ertrag gesteigert werden«, erklärte Wakhungu.
Der Bericht zeige zwar, dass eine andere Landwirtschaft möglich sei, aber hierfür müsse sich auch die Agrarpolitik der Europäischen Union ändern, forderte Barbara Unmüßig von der Heinrich-Böll-Stiftung. Zwar würden weltweit so viele Nahrungsmittel wie nie zuvor produziert, aber die globale und lokale Verteilung sei ungerecht. Die europäische Politik erschwere derzeit die Lage der Kleinbauern in den südlichen Ländern. Auch weil sie weltweit zu den größten Fleischexporteuren gehört und für die einheimische Fleischproduktion massenhaft Futtermittel aus Staaten der sogenannten Dritten Welt importiert. »Die Folge ist, dass in diesen Ländern weite Flächen für den Anbau der Futtermittel genutzt werden, anstatt dort Lebensmittel anzubauen«, konstatierte Unmüßig. Der durchschnittliche Fleischkonsum eines EU-Bürgers betrage im Jahr etwa 85 Kilogramm. »Vor allem durch die intensive Fleischproduktion trägt die Landwirtschaft zum Klimawandel bei«, sagte Tilman Santarius von Germanwatch. »Nachhaltige Produktionssysteme wie die Weidehaltung könnten dagegen der Atmosphäre klimaschädliche Gase entziehen.«
Auch die Subventionen der Europäischen Union für eigene Agrarprodukte, die in südliche Länder exportiert werden, tragen dazu bei, dass sich in diesen Staaten Märkte für selbst produzierte Lebensmittel nicht entwickeln oder zerstört werden. Die lokalen Produzenten können nämlich nicht mit den günstigeren Importwaren konkurrieren. Unmüßig forderte deshalb von der EU, die Subventionen abzubauen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.