Mit Öko-Landwirtschaft gegen Hunger

»Bericht zur Lage der Welt 2011« fordert Neuausrichtung des globalen Agrarsektors

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Obwohl weltweit niemals mehr Nahrungsmittel produziert wurden, leiden heute rund eine Milliarde Menschen an Hunger und chronischer Unterernährung. Dies geht aus dem »Bericht zur Lage der Welt 2011« hervor, dessen deutsche Ausgabe gestern von Germanwatch und der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin vorgestellt wurde.
Eine Holzschale mit wenigen Reiskörnern in der Mitte – dieses Titelmotiv des »Berichts zur Lage der Welt 2011« symbolisiert treffend die Situation von rund einer Milliarde Menschen, die derzeit weltweit an Hunger leiden. Gestern wurde die deutsche Ausgabe des Berichts in Berlin vorgestellt.

Der Fokus des Buches, das vom US-amerikanischen Umweltinstitut Worldwatch in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung und dem gemeinnützigen Verein Germanwatch herausgegeben wurde, liegt in diesem Jahr auf Subsahara-Afrika. Denn keine andere Region auf der Welt ist derzeit so stark von Armut und Hunger betroffen. Und die Perspektiven sehen weiterhin düster aus. Die Bevölkerung wächst stetig an und Landbewohner wandern millionenfach in die Städte ab. Durch Folgen des Klimawandels wie etwa Dürren und Überschwemmungen kommt es immer wieder zu Ernteausfällen. Als Folge steigen die Lebensmittelpreise. Zucker verteuerte sich im zweiten Halbjahr 2010 um 77 Prozent, der Getreidepreis um durchschnittlich 57 Prozent. Auch die Preise für Fleisch und Gemüse stiegen deutlich.

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, zeigt der Bericht neue Strategien in der Landwirtschaft und der Wirtschaftspolitik auf. Vor allem Kleinbauern in Entwicklungsländern müssten gestärkt werden, sagte Danielle Nierenberg, Agrarexpertin des Worldwatch Institutes und Hauptautorin des Buches. Diese Gruppe macht nach Angaben der Organisation Foodwatch mehr als zwei Drittel der Menschen aus, die nicht genug zum Essen haben. »Viele Regierungen setzen auf die Steigerung der Nahrungsmittelproduktion durch Hochertragssorten oder Düngemittel. Für die meisten ärmeren Landwirte sind diese jedoch zu teuer«, kritisierte Nierenberg. Als mögliche Lösung nannte Judi Wakhungu vom kenianischen Forschungsinstitut »African Centre for Technology Studies« mehr nationale und ausländische Investitionen für die zahlreichen Kleinbauern unter anderem in Subsahara-Afrika. Um Hunger und Armut wirksam bekämpfen zu können, bräuchten diese technische Geräte und Wissen über die ökologische Agrarwirtschaft. »Durch Kombinationen von Elementen der Land- und Forstwirtschaft könnten auf weniger fruchtbaren Böden Erosion vermieden, die Fruchtbarkeit verbessert und der Ertrag gesteigert werden«, erklärte Wakhungu.

Der Bericht zeige zwar, dass eine andere Landwirtschaft möglich sei, aber hierfür müsse sich auch die Agrarpolitik der Europäischen Union ändern, forderte Barbara Unmüßig von der Heinrich-Böll-Stiftung. Zwar würden weltweit so viele Nahrungsmittel wie nie zuvor produziert, aber die globale und lokale Verteilung sei ungerecht. Die europäische Politik erschwere derzeit die Lage der Kleinbauern in den südlichen Ländern. Auch weil sie weltweit zu den größten Fleischexporteuren gehört und für die einheimische Fleischproduktion massenhaft Futtermittel aus Staaten der sogenannten Dritten Welt importiert. »Die Folge ist, dass in diesen Ländern weite Flächen für den Anbau der Futtermittel genutzt werden, anstatt dort Lebensmittel anzubauen«, konstatierte Unmüßig. Der durchschnittliche Fleischkonsum eines EU-Bürgers betrage im Jahr etwa 85 Kilogramm. »Vor allem durch die intensive Fleischproduktion trägt die Landwirtschaft zum Klimawandel bei«, sagte Tilman Santarius von Germanwatch. »Nachhaltige Produktionssysteme wie die Weidehaltung könnten dagegen der Atmosphäre klimaschädliche Gase entziehen.«

Auch die Subventionen der Europäischen Union für eigene Agrarprodukte, die in südliche Länder exportiert werden, tragen dazu bei, dass sich in diesen Staaten Märkte für selbst produzierte Lebensmittel nicht entwickeln oder zerstört werden. Die lokalen Produzenten können nämlich nicht mit den günstigeren Importwaren konkurrieren. Unmüßig forderte deshalb von der EU, die Subventionen abzubauen.

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