Streit um »Stolpersteine«

Jüdische Gemeinden kritisieren Gunter Demnig

  • Sebastian Stoll, epd
  • Lesedauer: 3 Min.
Gunter Demnig verlegt seit über zehn Jahren Gedenksteine. Die Messingplatten enthalten Lebensdaten und Namen von NS-Opfern und werden am letzten selbst gewählten Wohnort der Ermordeten in den Boden eingelassen. Doch manche jüdische Gemeinden lehnen diese »Stolpersteine« ab.

Lörrach/Köln. 90 Jahre alt ist der Ehemann von Hanna Scheinker, seine ganze Familie wurde von den Nazis ermordet. Würde man in seinem Heimatland Lettland mit Gedenksteinen im Boden an die Toten erinnern, würden die Menschen darauf spucken. Und die, die nicht spucken, würden nur achtlos vorbeilaufen, sagt Scheinker. »Da pinkeln Hunde drauf, Menschen stolpern und schimpfen. Das ist unwürdig.« Also habe man sich entschieden, in Lörrach die Verlegung von Stolpersteinen abzulehnen, sagt Hanna Scheinker, die dort Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde ist.

Mit Füßen getreten?

Es ist nicht das erste Mal, dass der Kölner Bildhauer Gunter Demnig für seine Arbeit kritisiert wird. Mit seinen »Stolpersteinen«, die er zur Erinnerung an NS-Opfer im Boden verlegt, hat er sich seit Beginn des Projekts vor über zehn Jahren viele Feinde geschaffen. Diesmal sind es keine rechtsextremen Kameradschaften, die ihn attackieren, und keine Hauseigentümer, die einen Wertverlust ihrer Immobilie befürchten. Es sind jüdische Gemeinden, die Stolpersteine ablehnen. Nicht viele, aber einige.

Demnig findet ihre Kritik aberwitzig. »Die Begründung, die dann immer angeführt wird, dass eine Zerstörung durch Nazis droht, ist absurd. Neonazis können ebenso gut ein Schild von der Wand nehmen«, sagt er. Außerdem sei es verharmlosend, zu argumentieren, durch die Verlegung der Tafeln in den Boden werde symbolisch auf den Opfern des Nationalsozialismus herumgetrampelt: »Die Nazis haben sich nicht damit begnügt, auf ihren Opfern herumzutrampeln.« Nicht verharmlosend, sondern angemessen findet der Landesverband der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen dieses Argument. Er stellte sich hinter die Entscheidung der Stadt Osterholz-Scharmbeck bei Bremen, auf Stolpersteine zu verzichten. Er sei kein Freund der Stolpersteine, da man über ihnen »auch durchaus seine Notdurft verrichten könnte«, schrieb der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Hannover, Michael Fürst, in einem Brief an den Oberbürgermeister.

Auch in Frechen bei Köln protestierten einstige deutsche Juden, die nun in den USA leben, gegen die Stolpersteine, da sie befürchteten, dass die Erinnerung an ihre Familien »mit Füßen getreten wird«. In Stuttgart klagt derzeit ein Ehepaar gegen die Verlegung der Steine vor seinem Haus, weil es dadurch eine Wertminderung seines Eigentums befürchtet.

Schärfste Kritikerin der Stolpersteine dürfte Charlotte Knobloch sein, die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland. »Sprichwörtlich mit Füßen getreten« werde das Andenken von Menschen, die Verfolgung und Entwürdigung erlebt hätten, sagte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München 2010. München ist nicht nur die bekannteste Stadt, in der es im öffentlichen Raum keine Stolpersteine gibt, sondern auch die mit den schärfsten Diskussionen. So kämpft der Holocaust-Überlebende Peter Jordan bis heute um die Wiedereinsetzung von zwei Stolpersteinen vor dem Haus seiner 1941 ermordeten Eltern.

Eine Stele mit Namen

In Lörrach habe man in Abstimmung mit der Stadt beschlossen, eine Metallstele am Ort der 1938 von den Nazis zerstörten Synagoge zu errichten, auf der die Namen der Lörracher Opfer stehen sollen, sagt Gemeindevorsitzende Hanna Scheinker. »Wenn man vorbeigeht und die Namen liest, dann vergisst man die Opfer nicht.« Den Beschluss habe man einstimmig gefällt. Demnig ist da skeptisch: »Das glaube ich nicht. Dazu kenne ich solche Vorgänge zu gut«, sagt er.

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