Sachsen-Anhalt: Alle Demokraten gegen NPD
Parteien gehen in Wahlkampf-Endspurt / Gemeinsamer Appell soll Einzug der Rechtsextremen in Landtag verhindern
Großzügigkeit gegenüber der politischen Konkurrenz ist in Wahlkämpfen selten; Udo Gebhardt jedoch legt sie an den Tag. Der DGB-Landeschef in Sachsen-Anhalt, der bei der morgigen Landtagswahl für die SPD als Direktkandidat in Dessau antritt, hat die Wähler aufgerufen, ihm nur die Erststimme zu geben. Die Zweitstimme, die darüber entscheidet, ob und wie stark eine Partei im Landtag vertreten ist, sollen die Bürger den Grünen geben, die in Umfragen zuletzt schwächelten und mit der Fünfprozent-Hürde ringen. Diese dürfte der gemeinsame Aufruf mit dem Dessauer Grünen-Bewerber freuen. In der SPD jedoch reagiert man säuerlich: Gebhardt, erklärte ihr Spitzenkandidat Jens Bullerjahn, sei der einzige SPD-Mann, der glaube, etwas zu verschenken zu haben.
Tatsächlich haben weder die Sozialdemokraten noch eine andere Partei etwas zu verschenken. Die letzten Umfragen haben die morgige Wahl spannend gemacht und dem lange trägen Wahlkampf Pfeffer verliehen. Alle »großen Drei« ringen um den Wahlsieg: Nachdem sich zunächst nur CDU und LINKE ein Kopf-an-Kopf-Rennen lieferten, rechnet sich jetzt auch Bullerjahn wieder Chancen aus. Die CDU wurde bei 32 Prozent geführt, die LINKE, die am Wahltag oft besser abschneidet als in Umfragen, bei etwa 25 Prozent, die SPD knapp dahinter oder gleichauf. Falls sie sogar noch vorbeizieht, steigen die Chancen für ein rot-rotes Bündnis. CDU-Spitzenkandidat Reiner Haseloff stilisiert die Abstimmung deshalb zur »Schicksalswahl«, während LINKE-Frontmann Wulf Gallert, der selbst gern Regierungschef werden will, die Chance für einen »Aufbruch« im Land sieht.
Daneben kämpfen drei Kleine um den Einzug in den Landtag. Sowohl die Grünen als auch die FDP und die NPD lagen in den letzten Befragungen bei fünf Prozent. Die Grünen, die nach 13-jähriger Pause in das Parlament zurückkehren würden, bieten sich umgehend als möglicher Koalitionspartner für SPD und LINKE an, wie Spitzenkandidatin Claudia Dalbert mehrfach bekräftigte. Die FDP, die nach Lage der Dinge keine Chancen auf eine Regierungsbeteiligung hat, empfiehlt sich als bürgerliches Gegengewicht für Rot-Rot-Grün; ihr Spitzenmann Veit Wolpert warnt vor einem »Linksruck« im Land.
Um ihre Ambitionen zu bekräftigen, hatten zuletzt all diese Parteien Bundesprominenz eingeladen: Die CDU empfing gestern in Dessau Bundeskanzlerin Angela Merkel; die SPD setzte in Halle auf Parteichef Sigmar Gabriel. Tags zuvor hatten die Grünen ebenfalls in Halle Jürgen Trittin zu Gast, und bei der LINKEN redete in Halle sowie in Magdeburg Bundestags-Fraktionschef Gregor Gysi.
Dessen wichtigste Botschaft an die Wähler war, überhaupt zur Wahl zu gehen, weil Abstinenz es der »Neonazi-Partei NPD erleichtert«, nach Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern in einen dritten ostdeutschen Landtag zu ziehen. Ähnliche Appelle sind überall im Land zu hören, seit die Partei auch in letzten Umfragen stabil bei fünf Prozent geführt wurde. So verteilten unweit der Bühne, auf der Gysi sprach, Gewerkschafter einen Wahlaufruf an Passanten, die aufgefordert wurden, wählen zu gehen – »und zwar nicht die NPD«. Mehrere Initiativen hatten zudem für gestern fünf vor zwölf zu einer Kundgebung vor dem Landtag in Magdeburg aufgerufen, um so auf den Ernst der Lage hinzuweisen.
Bislang ohne Beispiel ist zudem eine gemeinsame Erklärung, die von allen fünf Spitzenkandidaten der großen demokratischen Parteien unterzeichnet wurde. Sie betonen darin zum einen, dass eine Zusammenarbeit mit der rassistischen, antidemokratischen und in der Tradition des Nationalsozialismus stehenden NPD für sie sowohl im Landtag als auch außerhalb »niemals in Frage kommen wird«. Zudem rufen sie die Bürger auf, die NPD nicht zu wählen. Diese wolle den Landtag als »Bühne für ihre Propaganda« nutzen. Sollte sie den Sprung in den Landtag schaffen, habe das »unabsehbare Folgen für Investitionen auswärtiger Unternehmen und den Tourismus«. Man könne es sich »nicht leisten, dass Sachsen-Anhalt wegen der Rechtsextremen an Ansehen verliert«.
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