»Wir dürfen nicht zu optimistisch sein«

Japanische Regierung dämpft die Hoffnungen auf schnelle Besserung nach der Atomkatastrophe in Fukushima

  • Lesedauer: 3 Min.
Immer mehr Strahlenopfer am Atomkraftwerk Fukushima: Zwei Arbeiter erleiden Verbrennungen. Die Lage am AKW bleibt äußerst kritisch. In Tokio gibt es einen Lichtblick: Die Belastung im Leitungswasser geht zurück. Die Vorräte an Wasserflaschen werden dennoch knapp.    

Tokio (dpa/ND). Zwei Wochen nach dem Mega-Erdbeben werden an der Atom-Ruine in Fukushima immer mehr Arbeiter verstrahlt. Drei Männer erledigten im Tiefgeschoss eines Turbinengebäudes Kabelarbeiten. Zwei von ihnen soll dabei radioaktiv belastetes Wasser in die Schuhe gelaufen sein. Sie kamen mit Verbrennungen in eine Spezialklinik. Die Versuche, die Krisenreaktoren zu kühlen, kommen insgesamt nicht entscheidend voran. Die Lage bleibt dramatisch.

Bei der Radioaktivität im Leitungswasser in Tokio gab es zwar eine vorläufige Entwarnung. Jedoch wurden an vielen Orten Wasserflaschen knapp. In der Hauptstadt sank die Belastung des Leitungswassers mit radioaktivem Jod am Donnerstag wieder unter den für Säuglinge festgelegten Grenzwert von 100 Becquerel pro Liter, wie Kyodo meldete.

Doch in Geschäften wurde abgefülltes Wasser knapp – obwohl die Trinkwasser-Warnung aufgehoben wurde. Die Stadtverwaltung von Tokio begann, 240 000 Flaschen Wasser an Familien mit Kleinkindern zu verteilen. Die japanische Regierung erwägt, mehr Flaschenwasser zu importieren. In anderen Wasseraufbereitungsanlagen außerhalb von Tokio wurde erhöhte radioaktive Belastung festgestellt. Babys sollten das Wasser dort nicht trinken. Die Behörden hatten Schwierigkeiten, genug Vorräte an abgefülltem Wasser bereitzustellen. In einem Geschäft in der Präfektur Chiba wurden Kunden bevorzugt, die beweisen konnten, dass sie Kinder unter einem Jahr haben.

Die Verstrahlung von Lebensmitteln weitet sich aus, sagte Regierungssprecher Yukio Edano. Auch die Strahlenbelastung im Meer nahe Fukushima Eins stieg weiter. Wie die Firma Tepco mitteilte, wurde in der Nähe der Abflussrohre der Reaktorblöcke 1 bis 4 die bisher höchste Belastung gemessen. Die verletzten Techniker wollten in Reaktor 3 in Fukushima Eins die Kabel reparieren, um das Kühlsystem wieder in Gang zu bringen. Sie hätten in radioaktiv belastetem Wasser gestanden, sagte Edano. Sie seien einer Strahlendosis von rund 170 oder 180 Millisievert ausgesetzt gewesen, erklärte Hidehiko Nishiyama von der Atomsicherheitsbehörde NISA. In Fukushima dürfen die Helfer bei jedem Einsatz eigentlich nur 150 Millisievert abbekommen. Über ein Jahr sind für sie inzwischen 250 Millisievert erlaubt.

Der Nuklearmediziner Andreas Bockisch vom Universitätsklinikum in Essen erklärte: »Diese Werte liegen unter der Belastungsgrenze, ab der mit ernsthaften Auswirkungen zu rechnen ist. Bei 150 Millisievert kommt es statistisch zu fünf Krebserkrankungen pro 1000 Menschen.« Die zwei Männer, die ins Krankenhaus mussten, hatten sich vermutlich durch sogenannte Betastrahlen Verbrennungen an den Füßen zugezogen, berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo unter Berufung auf den AKW-Betreiber Tepco.

Schon zuvor waren in Fukushima Eins Arbeiter verstrahlt und anders verletzt worden. Insgesamt hätten nun 17 Arbeiter eine Strahlenbelastung von mehr als 100 Millisievert abbekommen, hieß es.

Am Donnerstag gingen die Arbeiten in Fukushima trotz des Unfalls weiter. Ziel ist es, das Pump- und Kühlsystem der beschädigten Reaktoren zu reparieren. In Reaktor 3 mussten sich einige Arbeiter nach den Verletzungen ihrer Kollegen allerdings in Sicherheit bringen. Die japanische Regierung dämpfte die Hoffnungen auf schnelle Besserung nach der Katastrophe vom 11. März. »Nach gegenwärtiger Lage dürfen wir nicht zu optimistisch sein«, sagte Regierungssprecher Edano mit Blick auf das Unglücks-AKW. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace urteilte, die Gesamtsituation sei »nach wie vor dramatisch«.

Die Einsatzkräfte wollen die Überhitzung der Reaktoren auch weiter mit Meerwasser stoppen. Doch das könnte künftige Risiken bergen: Ein Experte in den USA warnte vor einer Salzverkrustung der Brennstäbe. Das würde ihre Kühlung blockieren.

Am Donnerstagmorgen stieg weißer Dampf über den Blöcken 1, 2 und 4 auf. Es sei das erste Mal, dass dies auch bei Block 1 beobachtet werde, berichtete der Sender NHK. Dort habe sich die Lage aber stabilisiert, sagte Nishiyama von der Atomsicherheitsbehörde. Im Kontrollraum brenne inzwischen wieder Licht.

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