Kunstharz kontra Katastrophe

Verstrahlte Trümmer in Fukushima werden besprüht

  • Lesedauer: 3 Min.
Rund drei Wochen nach Beginn der größten Katastrophe der japanischen Nachkriegsgeschichte ist das Atomkraftwerk Fukushima weiter außer Kontrolle. Noch immer tritt Radioaktivität aus. Die Strahlung im Meer vor der Atomruine steigt. Die Regierung lehnt jedoch eine weitere Evakuierung ab, obwohl die Internationale Atomenergiebehörde sie empfohlen hatte.  

Tokio/Berlin (dpa/ND). Der AKW-Betreiber Tepco hat begonnen, verstrahlte Trümmer mit Kunstharz zu besprühen. Tepco musste die Versuche aber wegen Regens wieder stoppen. Mit dem Kunstharz soll unter anderem die Ausbreitung von radioaktivem Staub gestoppt werden. Derweil steigt die Radioaktivität im Wasser: Im Meer vor dem AKW seien Jod-Partikel mit einer 4385-fach höheren Konzentration als erlaubt gemessen worden, so die Atomaufsichtsbehörde. Der genaue Weg, wie das radioaktive Jod aus dem Kraftwerk ins Meer kommt, ist nicht klar.    

Der französische Präsident Sarkozy trat bei einem Kurzbesuch in Tokio mit dem japanischen Ministerpräsidenten Naoto Kan zusammen. Die Welt brauche Atomkraft, um den Klimawandel zu bekämpfen, sagte Sarkozy. Sie könne helfen, den Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids zu verringern. Sarkozy forderte internationale Sicherheitsstandards für Atomkraftwerke. Die Atombehörden der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) sollten bereits im Mai in Paris darüber beraten, sagte Sarkozy. »Es ist nicht normal, dass es keine internationalen Sicherheitsnormen gibt«, so Sarkozy. Er ist der erste ausländische Staatschef, der Japan seit der Atom-Katastrophe besucht. Mit dem japanischen Premierminister Naoto Kan einigte Sarkozy sich darauf, gemeinsam auf internationale Atomsicherheitsstandards bis Ende des Jahres hinzuarbeiten.

Vor Sarkozy war bereits die Chefin des französischen Atomkonzerns Areva, Anne Lauvergeon, mit fünf Experten in Japan eingetroffen. Die Fachleute sollen dabei helfen, hoch radioaktives Abwasser aus der Atomanlage zu entfernen. Am Sonnabend reist auch Außenminister Guido Westerwelle nach Tokio. Er besucht derzeit China. Mit dem Kurzbesuch wolle er Deutschlands Solidarität mit dem japanischen Volk zum Ausdruck bringen, hieß es.

Japans Kaiser Akihito traf erstmals direkt mit Überlebenden der Beben-Tsunami-Katastrophe zusammen. Gemeinsam mit seiner Frau Michiko war der Monarch eine Stunde lang in der Budokan-Halle der Hauptstadt bei den dort untergebrachten rund 290 Evakuierten. Die Zahl der offiziell für tot Erklärten stieg auf 11 362. Weitere 16 290 Menschen werden noch vermisst.    

Am Donnerstag suchte ein weiteres heftiges Nachbeben der Stärke 6,0 die Menschen in der Katastrophenregion heim. Vor allem für die vielen alten Menschen ist es immer anstrengender, auf den harten Lagern in den Notunterkünften auszuharren. Es regnet dort viel, und die Temperatur liegt morgens immer noch um den Gefrierpunkt. Inzwischen werden zwar Notbehausungen gebaut. Diese reichen aber noch nicht.

Viele alte Menschen wollen auch dafür nicht ihre Heimatorte verlassen. Denn sie befürchten, aus ihren sozialen Gemeinschaften gerissen zu werden. Wegen der hohen Strahlenwerte im 40 Kilometer von Fukushima entfernten Ort Iitate hatte die Atomenergiebehörde IAEA in Wien geraten, die 7000-Einwohner-Stadt zu räumen. Greenpeace hatte nach eigenen Messungen dringend eine Ausweitung der Evakuierungszone rund um Fukushima von 20 auf 40 Kilometer verlangt. Es gebe im Moment keine sofortigen Pläne für einen solchen Schritt, sagte Regierungssprecher Yukio Edano.

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