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FAKTENcheck: Schleichwerbung in Zeitungen?
Können sich Firmen Berichterstattung in Zeitungen kaufen? Dieser Frage ging der »taz«-Journalist Sebastian Heiser nach. Teilweise ja, lautet zusammengefasst das Ergebnis, über das Heiser vor einer Woche unter der Überschrift »Einfluss zu verkaufen« in der »taz« berichtete. Unter die Lupe genommen wurden u. a. die »Frankfurter Rundschau« (FR), das »Handelsblatt«, die »Westdeutsche Allgemeine Zeitung« (WAZ), das Boulevardblatt »Bild« und das »Neue Deutschland«.
Heiser hatte für seine Undercover-Arbeit eine Briefkastenfirma gegründet und trat gegenüber den Verlagsmitarbeitern der von ihm kontaktierten Zeitungen als Vertreter einer Werbeagentur auf, der auf der Suche nach einem »geeigneten textlichen Umfeld« für Anzeigen seiner Kunden sei. Im Blog der »taz« (blogs.taz.de/rechercheblog) berichtet Heiser ausführlich über die Ergebnisse. Bei der WAZ sei ihm eine anzeigenfreie Beilage zum Thema Banken »für 117 500 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer« angeboten worden, in der diese über ihren Umgang mit der Finanzkrise »informieren« könne. Die FR bot laut Heiser dem (angeblichen) Reiseveranstalter eine Kombination aus Anzeige und Berichterstattung an.
In der Kritik steht nach Heisers Recherchen auch das »Neue Deutschland«. Redaktionelle Beiträge würde sich das ND z. B. über Produktionskostenzuschüsse bezahlen lassen. ND-Geschäftsführer Olaf Koppe weist diesen Vorwurf zurück. Zwar gebe es Sonderbeilagen, die mit Kofinanzierung von Kooperationspartnern erscheinen, allerdings handele es sich dabei um nicht-kommerzielle Vereine und Organisationen, etwa in Bereichen der Friedensbewegung, der Globalisierungskritik oder von Wohlfahrts- und humanitären Verbänden wie der »Volkssolidarität« oder dem »Solidaritätsdienst International«. Bei solchen Beilagen, die häufig auch über die Tagesausgabe des ND hinaus verbreitet werden, würden in der Regel Vereinbarungen über Veröffentlichungsplätze und eine Beteiligung bei den Druckkosten getroffen. »Meines Wissens macht die ›taz‹ das auch nicht anders«, so Koppe. »Ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis, das die redaktionelle Unabhängigkeit der Zeitung gefährden könnte, ergibt sich daraus nicht«, betont der ND-Geschäftsführer.
Unabhängig davon werde er die taz-Recherche zum Anlass nehmen, die Einhaltung der entsprechenden Verlagsrichtlinien im Haus noch einmal zu überprüfen. ND-Chefredakteur Jürgen Reents hatte bereits gegenüber der »taz« auf die beim ND geltende strikte Trennung zwischen redaktionellen Texten und kommerziellen Anzeigen hingewiesen. In diesem Sinne äußerten sich auch die Chefredakteure der anderen Blätter. Und in der Tat: Heiser verhandelte stets mit den Mitarbeitern der Verlagsabteilungen, nie mit den redaktionellen Abteilungen der Zeitungen.
Das ist die Schwäche von Heisers Recherche. Und so wundert es auch nicht, dass die Springer-Blätter, die sich in der Vergangenheit immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert sahen, es mit der Trennung zwischen redaktionellen Inhalten und Werbung nicht allzu genau zu nehmen, nach dem »taz«-Bericht ihre weiße Weste behalten können. Beim Springer-Verlag, in dem u.a. die »Bild« erscheint, hieß es: »Absolutes No-Go«. Der Chefredakteur des Blattes, Kai Diekmann, wird mit den Worten zitiert: »Jede Anzeige muss ganz eindeutig als solche zu erkennen sein. In allen Zweifelsfällen muss ›Anzeige‹ drüber stehen.«
Zumindest hier hätte die »taz« eine Zusatzinformation einfügen müssen. So erhielt »Bild« 2007 eine Rüge des Presserates wegen Schleichwerbung. Unter der Überschrift »ALDI-Urlaub: Das sind die Reiseziele« waren Reiseangebote der Discounter-Kette aufgeführt, die einen Tag später in einer Aldi-Anzeige nochmals erschienen. Und verdächtig oft werden in »Bild«-Artikeln bestimmte Markenprodukte erwähnt.
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