Atomausstieg spaltet Koalition
Röttgen steht mit Forderung nach Kurskorrektur allein da / Stromkonzerne erhöhen Druck
Berlin (ND-Damm/Agenturen). »Voreilig« nannte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe das von den Grünen geforderte Ausstiegsjahr 2017. Die Neubewertung der Risiken nach der Havarie des japanischen AKW in Fukushima bedeute nicht, »dass wir Hals über Kopf aus der Kernenergie aussteigen«, sagte er der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Auch FDP-Generalsekretär Christian Lindner rudert zurück: »Unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit, der Versorgungssicherheit und der Klimaverträglichkeit halte ich es für unrealistisch, 2022 das letzte Kernkraftwerk vom Netz zu nehmen«.
Damit wird es um Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) einsamer. Der forderte, der Kurswechsel in der Energiepolitik müsse »auch wirklich vollzogen« werden, um der Regierung Glaubwürdigkeit zu verleihen. Union und FDP müssten »klar sagen: Wir korrigieren unsere Beschlüsse vom vergangenen Herbst«, sagte Röttgen der »Super Illu«.
Mangelnde Glaubwürdigkeit beweist Schwarz-gelb auch in der Frage der weltweiten Förderung von Atomanlagen. In einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Abgeordneten Niema Movassat (LINKE) wurde deutlich, dass sie trotz des Moratoriums die Hermesbürgschaften für das umstrittene brasilianische AKW Angra 3 nicht auf Eis legen will. Gefördert werden sollen auch Neubauten in China.
Am Freitag hatten die Atomkonzerne ihren Druck auf die Bundesregierung erhöht und die Zahlungen an den Ökofonds eingestellt, mit dem Erneuerbare Energien gefördert werden sollen. RWE begründete den Schritt damit, dass die Grundlage durch das Moratorium entfallen sei. Das Geld überweise der Konzern zur Zeit auf ein »Sicherungskonto«. Auch Sprecher von E.on und Vattenfall bestätigten, kein Geld mehr zu überweisen. Das gleiche gilt laut »Spiegel« für EnBW. Die Atomkonzerne hatten sich zu den Zahlungen bereit erklärt, nachdem die Bundesregierung die Laufzeitverlängerung ermöglicht hatte. Eine Sprecherin kommentierte, die Regierung habe die Entscheidung der AKW-Betreiber »zur Kenntnis genommen«. Die Oppositionsparteien forderten, jetzt die Brennelementesteuer deutlich zu erhöhen und warfen der Regierung vor, gegenüber der Atomlobby einzuknicken. Anti-Atom-Initiativen kündigten weitere Massenproteste an.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will den von Bundesumwelt- und Wirtschaftsministerium entworfenen Sechs-Punkte-Plan zur Energiewende am kommenden Freitag mit den Ministerpräsidenten beraten. Der Plan sehe den schnelleren Ausbau der Stromnetze und mehr Geld für Gebäudesanierungen vor.
Strategien für einen weltweiten Atomausstieg standen am Wochenende auf der Tagung der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) im Mittelpunkt.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.