Prags schmutzige Saubermänner
Regierungskrise nach Korruptionsaffäre
Die neue Partei war angetreten mit dem Versprechen, die Korruption im Lande zu beenden. Sie hatte das Vertrauen der Wähler erhalten und war ins Parlament eingezogen. Nun hat die Korruption die Repräsentanten der »Öffentlichen Angelegenheiten« eingeholt, und viele Wähler fragen sich, inwieweit doch alles von Anfang an Schwindel war. Vergangenen Freitag trat VV-Verkehrsminister Vit Barta (Foto: Martin/Wikipedia) zurück und kam damit einer Entlassung durch Regierungschef Petr Necas zuvor. Denn Barta wird vorgeworfen, vor allem die Interessen seiner Sicherheitsfirma ABL in der Politik vertreten zu haben.
Als Beweis legen die Kritiker eine Tonaufzeichnung aus dem Jahre 2008 vor, auf der die Stimme Bartas zu hören ist. Damals soll der Sicherheitschef Überlegungen angestellt haben, wie seine Firma wohl an öffentliche Aufträge käme. Laut seinen Aussagen würden in der EU etwa 40 Prozent der Aufträge für Wachschutzfirmen von der öffentlichen Hand vergeben. Der Plan Bartas, der die ABL inzwischen an seinen Bruder verkauft hat, war denn auch, über eine Partei ins Parlament zu gelangen und damit an die öffentlichen Aufträge zu kommen. Als sich Anfang 2010 die VV unter Radek John – ironischerweise ein durch Enthüllungsjournalismus populär gewordener Fernsehmann – gründete, sah Barta hier die geeignete Plattform.
Nach Bekanntwerden der Affäre ersuchte Regierungschef Petr Necas Präsident Vaclav Klaus um die Entlassung Bartas. Zudem forderte er, auch VV-Chef und Innenminister John sowie Bildungsminister Josef Dobes zu entlassen. Beide Kabinettsmitglieder hätten ebenfalls enge Beziehungen zu Bartas ABL gepflegt. Damit löste der konservative Ministerpräsident vollends eine Krise aus. Denn die VV forderte nun ihrerseits den Rücktritt von Verteidigungsminister Alexandr Vondra, der Necas' Demokratischer Bürgerpartei (ODS) angehört, von Finanzminister Miroslav Kalousek (TOP09) und Agrarminister Ivan Fuksa (ODS). Das jedoch lehnten die Koalitionspartner strikt ab.
Der tschechische Präsident Vaclav Klaus dringt auf eine schnelle Lösung der Prager Koalitionskrise. Er sei erst bereit, Entlassungsurkunden für Minister anzunehmen, wenn es einen Plan gebe, wie Petr Necas weiter regieren will, sagte er am Montag in Prag. Er fürchtet wohl, dass ein ausufernder Streit das vorzeitige Ende des bürgerlichen Regierungsbündnisses bedeuten könnte. Sowohl die ODS als auch die VV betonten zwar, an der Koalition festhalten zu wollen, dennoch ist die Lage kritisch. Dies sieht auch TOP 09-Mitbegründer und Außenminister Karel Schwarzenberg so. Der Fürst hofft, dass es »genügend verantwortungsvolle VV-Abgeordnete« im Parlament geben werde, ansonsten sehe er die Durchführung der geplanten Reformen gefährdet. Deutlich distanzierte er sich jedoch vom Verkehrsminister: Bartas Haltung sei nicht mit jener der Koalition vereinbar. Für die Opposition ist die gegenwärtige Krise ein deutliches Zeichen dafür, dass Petr Necas die Probleme seines Kabinetts nicht beherrscht. Bohuslav Sobotka, Chef der sozialdemokratischen CSSD, forderte die Auflösung der Regierung und Neuwahlen.
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